Gahleitner, Silke Brigitta/ Kraus, Björn/ Schmitt, Rudolf (Hg.): Über Soziale Arbeit und über Soziale Arbeit hinaus.

hinzugefügt: 8-02-2013
Ein Blick auf zwei Jahrzehnte Wissenschaftsentwicklung, Forschung und Promotionsförderung.
Lage 2012, 233 Seiten, 19,90 Euro

ISBN 978-3-89918-206-4

Was ist die Intension des Buches?
Die Autor_innen machen sich stark für eine solide wissenschaftliche Fundierung Sozialer Arbeit und setzen sich ein für eine akademische Verankerung durch wissenschaftlichen Nachwuchs, der zukünftig viel stärker aus den eigenen Reihen generiert werden muss, anstatt durch disziplin- und professionsfremde Lehrkräfte.

Für wen ist das Buch interessant?
Zielgruppe des Buches sind Studierende und Promovierende der Sozialen Arbeit. Sie finden hier Unterstützung bei der Suche nach beruflicher Identität und Orientierung auf dem Weg zur Promotion.

Wie kam es zu diesem Buch?
Das Buch ist als Danksagung an Albert Mühlum zu verstehen, der als Vorreiter der Emanzipation und Verwissenschaftlichung Sozialer Arbeit gilt und die Promotionsförderung auf diesem Gebiet initiiert hat.

Wie ist das Buch aufgebaut?
Im ersten Teil des Buches gewinnt man einen guten Überblick zum aktuellen Sach- und Diskussionstand über die Wissenschaft Sozialer Arbeit, ihren Gegenstand, ihre Aufgaben und Ziele, die disziplininterne Forschungspraxis und die Promotionsförderung für FH-Absolvent_innen.
Im zweiten Teil des Buches werden sieben erfolgreich abgeschlossene Dissertationen von Sozialarbeiter_innen vorgestellt. Die Arbeiten bieten in ihrer Vielfalt für Promotionsinteressierte Chancen der thematischen, theoretischen und forschungsmethodischen Orientierung und Abgrenzung.

Welche Inhalte stehen im Mittelpunkt?
Björn Kraus bündelt und bilanziert den Stand der Diskussion um die Wissenschaft der Sozialen Arbeit. Sein Artikel umfasst eine Gegenstandsbestimmung und die Beschreibung der originären Aufgaben von Profession und Disziplin.

Wolf Rainer Wendt baut seinen Text auf der Entstehungsgeschichte der Sozialen Arbeit seit den 1890er Jahre auf. Nicht nur unmittelbares Helfen, sondern auch gesellschaftliche Lebensführung und ihr Wandel stehen heute im Fokus. Die damit einhergehenden personalen Anforderungen und gesellschaftliche Herausforderungen markiert Wendt als Gegenstand Sozialer Arbeit. Es geht dabei um die Gestaltung des Sozialen. Der Schlüssel für die Verbesserung gesellschaftlicher Lebenskontexte ist Partizipation, also die Beteiligung der Bürger_innen an der Gestaltung und Veränderung ihres sozialen und räumlichen Lebensraums.

Silke Brigitta Gahleitner erinnert daran, dass die Forschung in der Sozialen Arbeit auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Forschung ist notwendig, um die Disziplinentwicklung voran zu bringen und die Praxis zu verbessern. Gahleitner beschreibt den Zuwachs an wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen an Hochschulen und differenziert sechs Forschungsarten, die die neue Forschungslandschaft charakterisieren. Sie taucht in die Diskussion um Qualitätssicherung, Evidenzbasierung und Wirkungsforschung ein. Abschließend beschreibt und begründet sie die zentralen Aufgaben der Forschung in der Sozialen Arbeit.

Rudolf Schmitt benennt in seinem Beitrag zunächst berufsbiografische und disziplinimmanente Gründe für Promotionen in der Sozialen Arbeit. Er beschreibt wo, wie und von wem Promotionsinteressierte und Doktorand_innen mit FH-Abschluss Unterstützungen erhalten können. Zuletzt fasst er die spezifischen Anforderungen zusammen mit denen Hochschulen bis zur Durchsetzung des eigenständigen Promotionsrechts konfrontiert sein werden.

Silvia Staub-Bernasconi blickt in ihrem Beitrag über den deutschen Tellerrand und berichtet, dass es im internationalen Ausland seit den 1950-er Jahren völlig selbstverständlich ist in der Disziplin Sozialer Arbeit zu promovieren. Anschließend zeichnet sie die Entstehung und den Verlauf der ersten FH-Doktorand_innen-Kolloquien der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) nach. Abschließend beschreibt sie die zentralen Forderungen und Erfolge der Forschungslandschaft in der Schweiz und in Deutschland.

Die zweite Hälfte des Buches bietet ein erfreuliches Novum! Vorgestellt wird die beruflichen Erfolgsgeschichten von 4 Frauen und 3 Männern, die im Erststudiengang zu Diplom Sozialarbeiter_innen (FH) bzw. Sozialpädagog_innen (FH) ausgebildet wurden und im Zeitraum zwischen 1998 und 2011 erfolgreich in einem universitären Fach, wie z.B. Soziologie, Politik, Sozialpsychologie, promoviert haben. Bis auf zwei Personen, die ihre Qualifizierungsarbeiten erst 2011 publizierten, sind alle Autor_innen mittlerweile Professor_innen an Hochschulen geworden.
Spannend ist, dass es sich um sieben sehr verschiedene Doktorarbeiten handelt. Die Leser_innen können sich viele Anregungen holen, denn allein die Bandbereite des Vorgehens bei der Datenauswertung reicht von der rein theoretischen Literaturstudie, über ethnographische Ansätze, biografische Fallrekonstruktion und Metaphernanalyse bis hin zur hermeneutische Dialoganalyse.

Durch die Schilderung persönlicher Erfahrungswerte aus dieser Lebensphase ergeben sich Identifikationspunkte, z.B. wenn berichtet wird, dass die Themenfindung aus der eigenen Praxiserfahrung heraus generiert wurde und Promotionskolloquien als konstruktive Plattformen für Austausch und Vernetzung wahrgenommen wurden.
Die Arbeiten wecken oder verstärken darüber hinaus das Interesse an der Wissenschaft Sozialer Arbeit. Es wird deutlich, dass die Wissenschaft Sozialer Arbeit im lebendigen Dialog mit der Praxis entwickelt wird und gleichzeitig die disziplininterne Theoriebildung nicht vernachlässigt.

Lohnt es sich das Buch zu lesen?
Die Texte bieten identitätsstiftende Antworten auf Fragen von Studierenden, die bereit sind es mit den Ambivalenzen der postmodernen Sozialen Arbeit aufzunehmen, weil sie verstanden haben, dass gute Antworten eigene Denkprozesse anregen, die wieder zu neuen Fragen führen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Wissenschaft Sozialer Arbeit dabei ist ein eigenes Forschungsgebiet zu etablieren und zu vermarkten, das zukünftig durch wissenschaftliche Mitarbeiter_innen und Professor_innen der eigenen Disziplin bearbeitet werden kann. Doktorand_innen werden durch diese Buch motiviert den hürdenreichen Weg erfolgreich zu bewältigen.

Zur Rezensentin
Judith Rieger ist seit 2003 Diplom-Sozialpädagogin (FH), selbst Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Promotionsförderung an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin
www.judith-rieger.de

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