Karsten Landgraff:
 


Jugendkriminalität
 

-ein Handlungsfeld der Sozialarbeit / Sozialpädagogik
mit unzureichender Methode?

(Anmerkung: Die vorliegende Arbeit wurde vor ca 4 Jahren geschrieben,
trotzdem hat sie an Aktualität nicht verloren).



Kontakt mit dem Author:

mail: Karsten@Landgraff.de
web: http://home.nexgo.de/landgraff/jugendkriminalitaet.htm
 
 
 
 

Inhaltsangabe
 
 
 
 

1.1 Einleitung

1.2 Definition Jugendkriminalität

1.3 Zahlen, Daten, Fakten
 
 

2.1 Der "imaginäre Fall" Nico
 
 

3.1 Die Anomietheorie

3.2 Die erweiterte Form der Anomietheorie

3.3 Die erweiterte Form der Anomietheorie angewandt auf den "imaginären Fall" Nico

3.4 Die Entstehung der Jugendkriminalität aus psychoanalytischer Sichtweise bzw. die

Entwicklung zum psychopathischen Täter nach Redl, Moser, u.a.

3.5 Die psychopahtische Form der Kriminalität angewandt auf den "Fall Nico"

3.6 Das "Teufelskreismodell" von Stephan Quensel

3.7 Der Stigmatisierungsprozeß und das "Teufelskreismodell" angewandt auf den "Fall Nico"

3.8 Die sozialisationstheoretische Sichtweise –welche prägnannte Rolle bei der Entstehung

von Kriminalität wird der Schichtzugehörigkeit zugeschrieben?

3.9 Nicos Unterschichtzugehörigkeit im Bezug auf sein abweichendes Verhalten
 
 

4.1 Die modifizierte Form der katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit als

Präventivmaßnahme und Methode der Sozialarbeit/Sozialpädagogik in Bezug

auf die Jugendsozialarbeit

4.2 Die Streetworksozialarbeit bezogen auf den "Fall" Nico
 
 

5.1 Zusammenfassung
 
 

6.1 Literaturverzeichnis

 
 
 
 

1.1 Einleitung

Dem interessierten Leser und Zuhörer, welcher das aktuelle Geschehen in den Medien verfolgt, wird es nicht entgangen sein, daß der Begriff Jugendkriminalität immer häufiger zu hören ist. Nicht nur in Presse, Funk und Fernsehen werden wir mit diesem Wort konfrontiert, sondern auch in Gesprächen mit Erziehern, Lehrern, oder Sozialpädagogen. Eventuell sind einige von Ihnen schon selbst mit Jugendkriminalität in Berührung gekommen. Entweder in der Form, daß sie als Opfer beraubt oder bedroht wurden oder aber, daß sie selbst in Ihrer Jugendzeit als Täter eigene Erfahrungen sammelten.

Da das Thema Jugendkriminalität für unsere Gesellschaft kein völlig neues Problem darstellt und sich in der letzten Zeit eventuell nur die Qualität und Quantität der Jugendkriminalität verändert hat, haben sich schon viele von uns mit diesem Thema in irgendeiner Form auseinandersetzen müssen. Leider geschieht das häufig nur oberflächlich, und es kommt somit zu übereilten Vorurteilen, die nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht haltbar sind. Solche Äußerungen schließen, wie folgt, die Entwicklung zum Kriminellen, dessen Tat und seine Strafe ein. Jeder von uns kennt solche Bemerkungen wie: "Es ist doch klar, daß der klaut, bei solchen Eltern" oder "Der hat ein Kind mißhandelt, der gehört lebenslänglich eingesperrt" oder "Für Wiederholungstäter sollte die Todesstrafe eingeführt werden".

Die Medien, insbesondere die Presse, unterstützen solche Vorurteile indem häufig nur über die Tat berichtet, die Entwicklung zum Kriminellen aber verschwiegen wird. Somit wird nicht mehr der Mensch, einschließlich seiner Entwicklung auf der psychologischen und sozialen Ebene und das Agieren und Reagieren seines sozialen Umfelds auf sein vorheriges Handeln gesehen, sondern nur der "Kriminelle" und seine Tat. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, bei denen der Leser bemerkt, daß der Reporter versuchte, die Vergangenheit des "Kriminellen" aufzuarbeiten. Leider geschieht das meistens in einer so stark reduzierten Form, daß der Leser die Vorgeschichten der einzelnen Täter nicht mehr ausreichend differenzieren kann, und es entsteht somit ein sehr stark generalisiertes Ergebnis. Schlechte Kindheit und schlechtes Umfeld ist gleich Ursache von Kriminalität. Nicht selten bleibt der Bürger auf dieser Stufe stehen und hinterfragt seine Theorie nicht. Von einem detaillierten Nachfragen oder sogar einem Hineinversetzen in die Vergangenheit eines Täters kann hierbei nicht gesprochen werden.

Als ein Beispiel für die oberflächliche und einseitige Darstellung der Realität möchte ich die Fernsehsendung "Aktenzeichen XY ungelöst" erwähnen. Ich gehe davon aus, daß jeder von uns die Sendung gesehen hat. Reflektieren wir einmal das, was uns dort gezeigt wird, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß es Menschen gibt, die schwere Raubüberfälle, Vergewaltigungen und Morde begehen und diese Delikte einen "Kriminellen" charakterisieren. In der Gesamtheit aller Straftaten spielen diese Verbrechen nur eine untergeordnete Rolle. Zuzüglich dieser Verzerrung der Realität nimmt die filmerische Darstellung einer Tat oft mehr Sendezeit in Anspruch als notwendig ist, um die eigentliche Aufgabe, nämlich durch individuelle Tat- und Tätermerkmale den Betroffenen ausfindig zu machen . Ich möchte nicht den ursprünglichen Sinn der Fernsehsendung kritisieren, ganz im Gegenteil, aber es muß darauf hingewiesen werden, daß solche Filmszenen für das Erfassen der gesamten Realität nicht förderlich sind. Eine Schlußfolgerung dieser Problematik könnte somit lauten, daß der Bürger überhaupt keine Chance hat, sich umfangreich durch die Massenmedien zu informieren.

Ein besonderes Problem für das Verständnis des Bürgers stellt sich, wenn er erfährt, daß jemand, der einen Menschen vergewaltigt oder ermordet hat, nur für kurze Zeit in den Strafvollzug eingewiesen wird. Da bricht für den Bürger das Weltbild unseres herrschenden Rechtsstaatsystems zusammen, und er hat große Schwierigkeiten, dieses Strafmaß zu akzeptieren. nicht selten kommt es dann zu den o.g. Äußerungen.

Eventuell sind meine Erwartungen und Anforderungen gegenüber den Medien, insbesondere der Presse zu hoch, so daß diese nicht erfüllt werden können. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, welche Auswirkungen bzw. Reaktionen solche Pressemeldungen in der Gesellschaft hervorrufen können. Mit meiner Arbeit möchte ich dazu beitragen, den Menschen zu helfen, dem Problem Jugendkriminalität ein besseres Verständnis entgegen zubringen, verstehen zu lernen, was Jugendkriminalität ist, wie sie entsteht und welche Handlungsstrategien sich daraus für die Sozialarbeit, Sozialpädagogik und insbesondere der Streetwork Sozialarbeit ergeben. Um diese Ziele zu erreichen, werde ich im Unterabschnitt 1.2 zuerst den Begriff Jugendkriminalität erläutern und zwar in der Form, daß ich eine altersbezogene Abgrenzung zu der Kriminalität der Erwachsenen an Hand des Strafgesetzbuches (STGB) und des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) darstelle. Desweiteren wird die Frage "Was ist kriminell?" beantwortet. Im Unterabschnitt 1.3 werde ich mit der Hilfe einer Tabelle mich mit der Quantität der Jugendkriminalität auseinandersetzen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß die Aussage der Tabelle mich besonders motiviert hat, über das Thema Jugendkriminalität zu schreiben. Wie Sie im Folgenden sehen werden spielt die Gruppe der Jugendlichen unter den Zahlen der Verurteilten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Einen weiteren Anreiz für das Thema erhielt ich vor etwa zwei Jahren beim Lesen des Buches Tatort Straße von Wolfgang Stürzbecher. In diesem Buch beschreibt er in einer einfachen und für jedermann verständlichen Art seine Arbeit als Streetworker in Berlin. Durch seine Tätigkeit auf der Straße trifft er oft auf Jugendliche, die mit Kriminalität in Berührung kommen und versucht in Form seiner individuellen Streetworkarbeit diesem Problem entgegenzutreten. Speziell im 4.Teil meiner Arbeit werde ich gesondert auf diese Thematik eingehen. Zuvor stelle ich im Teil 2 einen imaginären Fall vor, auf den ich mich immer wieder beziehen werde. Der 3.Teil meiner Arbeit beinhaltet vier Kriminalitätstheorien, die ich Ihnen vorstellen werde.
 
 

1.2 Definition Jugendkriminalität

Was versteht man unter den Begriff Jugendkriminalität?

Hierbei liegt das Strafgesetzbuch (STGB) und das Jugendgerichtsgesetz (JGG) zugrunde. Danach sind alle Vierzehn- bis Siebzehnjährigen Jugendliche, Achtzehn- bis Zwanzigjährige zählen zu den Heranwachsenden. Kinder bis unter 14 Jahren sind strafunmündig und dürfen strafrechtlich nicht belangt werden. Im Ergebnis heißt das, daß Jugendkriminalität im engeren Sinne Kriminalität der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen Jugendlichen ist. Es werden jedoch auch häufig Heranwachsende nach dem Jugendstrafrecht behandelt. Zählen wir diese mit hinzu, besteht Jugendkriminalität aus der Summe der Straftaten der Vierzehn- bis Zwanzigjährigen.(vgl Steuber 1988,34) Wenn ich in der vorliegenden Arbeit über Jugendliche schreibe, gehe ich von der zuletzt genannten Definition aus.

Das Rechtsstaatsprinzip beantwortet die Frage "Was ist kriminell?" Ohne gesetzliche Grundlage darf keine Tat ein Verbrechen genannt und bestraft werden. (vgl Art.103 Abs.2 GG) "Demnach gilt als Kriminalität, was strafbar ist nach geltendem Recht. Doch eine Legaldefinition der Kriminalität, wie die Gesetze sie implizieren, ist nicht umstritten. Was legal ist, muß nicht legitim erscheinen und braucht nicht legal zu bleiben."(Steuber 1988,48) "Was heute und hier Verbrechen ist, ist es vielleicht morgen und dort nicht mehr und umgekehrt."(Metzger in Steuber1988,48) Die Zitate verdeutlichen uns, daß die Definition Kriminalität von dem jeweilig geltenden Recht und dem Faktor Zeit abhängig ist.
 
 

1.3 Zahlen, Daten, Fakten

Zum Beginn meiner Einleitung stellte ich die These auf, daß sich in den letzten Jahren eventuell nur die Quantität und Qualität der Jugendkriminalität verändert hat. Um eine Aussage über die Quantität zu machen, habe ich folgende Statistiken ausgewählt. Auf die Qualität der Jugendkriminalität und die möglichen Veränderungen werde ich im 4.Teil eingehen.
 
 
 
 

Tabelle 1:
a) Grundzahlen b) Verurteilungsziffern (Verurteilte je 100000 Einwohner der gleichen Altersgruppe 
Zur Zeit der Tat im Alter von....bis einschl....Jahren  insgesamt  männl.  weibl. Zur Zeit der Tat im Alter von....bis einschl....Jahren insgesamt männl. weibl.
14-15 22614  18754 3860 14-15 1193 1927 418
16-17 33427  28984 4443 16-17 1612 2722 441
18-20 59886  52147 7739 18-20 1855 3135 494
21-24 77006  64093 12913 21-24 1898 3073 655
25-29 67619  55347 12272 25-29 1498 2381 561
30-39 93774  74489 19285 30-39 1170 1821 491
40-49 68435 52006 16429 40-49 740 1100 364
50-59 28290 19353 8937 50-59 395 363 240
60 und älter 14738 7817 8921 60 und älter 120 177 88
insgesamt 465789 372990 92799 insgesamt 888 1504 355
Nach: Statistisches Bundesamt 1986a, S.340

Aus der Tabelle 1 können wir entnehmen, daß die Kriminalität der Jugendlichen unter den Verurteilungsziffern eine große Rolle spielt. Es werden deutlich mehr Jugendliche verurteilt als z.B. Menschen, die der Gruppe der Vierzig- bis Neunundvierzigjährigen angehören. Hierbei müssen wir berücksichtigen, daß es mit großer Wahrscheinlichkeit zu noch höheren Verurteilungsziffern unter den Jugendlichen käme, würden alle Delikte angezeigt. Oft wird davon abgesehen, und der Jugendliche erhält stattdessen eine Strafe von den Eltern oder der Schule. Beide, sowohl die Eltern als auch die Schulen sind für die Erziehung der Jugendlichen mitverantwortlich. Würden sie ihn anzeigen, bedeutete dies, daß die Gesellschaft sie als unfähig stigmatisieren könnte, einen Jugendlichen zu erziehen. Somit werden andere Erziehungsmaßnahmen eingeleitet, die vor der Gesellschaft verborgen werden.

Weiterhin können wir der Tabelle 1 entnehmen, daß Jugendkriminalität vorwiegend Kriminalität der männlichen Jugendlichen ist. Das Ergebnis der ersten Statistik lautet also wie folgt. Die Wahrscheinlichkeit, kriminell in Erscheinung zu treten und verurteilt zu werden, ist also bei männlichen Jugendlichen im Alter bis zum 25. Lebensjahr am größten. Nach dem 25. Lebensjahr sinkt die Wahrscheinlichkeit. Voraussetzung bei diesen Aussagen ist, daß das Verhältnis zwischen den Verurteilten und denjenigen, die nach einem begangenden Delikt nicht angezeigt werden, in der jeweiligen Altersgruppe gleich ist.
 

2.1 Der "imaginäre Fall" Nico

Nachdem ich in der Einleitung unter anderem bemängelt habe, daß in den Massenmedien über das Thema Jugendkriminalität nur oberflächlich berichtet und die Entwicklung zum "Kriminellen" meistens nicht berücksichtigt wird, möchte ich einen imaginären Fall vorstellen, an dem ich im 3.Kapitel die Kriminalitätstheorien erläutern werde.

Nico Erdman wurde am 24.02.1972 in Berlin geboren. Schon während seiner ersten Lebensjahre fand er bei seinen Eltern kaum Beachtung, denn die Mutter nahm ihn nur schweren Herzens an. Sie wollte dieses Kind nicht. Auch die Tatsache, daß sie die Schwangerschaft nun endlich überstanden hatte und einen gesunden Jungen in den Armen halten konnte, änderte nichts daran. Trotz mehrerer versuche nahm Nico die Milch seiner Mutter nicht an, und so konnte sie ihm auch durch das Stillen nicht näher kommen. In der Zeit, die sie im Krankenhaus verbrachten, sah Frau Erdman ihren Sohn nur selten. Sie gab Müdigkeit und Unwohlsein vor und überließ es den Krankenschwestern, sich um Nico zu kümmern.

Der Vater hatte am Tag der Geburt nur einen flüchtigen Blick auf seinen Sohn geworfen, verbrachte auch nur kurze Zeit am Bett seiner Frau und ging dann in die Kneipe, um ein paar Bier zu trinken. Dort verbrachte er die meiste Zeit, wenn er nicht arbeitete, denn zu Hause wäre er ja allein, und es war auch kein Essen für ihn vorbereitet, woran nur dieses "Balg" schuld war.

Die Familie Erdman lebte in einer ofenbeheizten Zweizimmeraltbauwohnung in Wedding, einen typischen Arbeiterbezirk in Berlin. In den ersten Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus schlief das Kind mit im elterlichen Schlafzimmer. Nacht für Nacht schrie Nico, die Mutter tröstete das Baby, doch war sie schnell genervt, und manchmal verlor sie ganz die Geduld und schrie es an. Das tat ihr dann auch wieder leid, aber schließlich war dieses Kind schuld an der Unzufriedenheit ihres Mannes, der unausgeschlafen zur Arbeit gehen mußte und dies an seiner Frau ausließ.

Herr Erdman arbeitete als Kraftfahrer bei einer Möbelfirma. Er kam oft im angetrunkenen Zustand nach Hause, seine Stimmung änderte sich schnell, er war unberechenbar. Manchmal nahm er seinen Sohn auf den Arm, wollte mit ihm spielen, doch Nico reagierte mit Abwehr. Er mochte wohl die "Alkoholfahne" seines Vaters nicht. Er gab das Kind dann seiner Frau zurück, wurde ärgerlich und verlangte nach dem Abendessen und nach Ruhe. Frau Erdman hatte sich ihr Leben ganz anders vorgestellt. Sie hatte früh geheiratet, um von der Tyrannei ihres brutalen, arbeitsscheuen Vaters wegzukommen. Doch der Traum von einer harmonischen Ehe war schnell ausgeträumt. Sie hatte ihren Mann nur kurze Zeit gekannt, bevor sie ihn heiratete.

Mit der Zeit vernachlässigte sie immer mehr ihre Aufgaben als Ehefrau und Mutter, denn sie fühlte sich total überfordert in ihrer Unerfahrenheit. Sie hatte ein Kind zu erziehen, obwohl sie dazu innerlich noch nicht bereit war. Ihr Mann setzte Ordnung im Haushalt voraus ohne selbst dazu beizutragen. Nach dem Motto "Was willst du denn, ich bringe ja das Geld nach Hause." Er verlangte täglich warmes Essen auf dem Tisch und zeigte kein Verständnis für die Probleme seiner Frau. Zu dieser Doppelbelastung kam das Schreien des Kindes hinzu, womit beide nicht umgehen konnten. Besonders in der Nacht konnten sie es nicht ertragen. Die Mutter glaubte, wenn sie Nico das letzte Mal spät abends mit der Flasche stillte und dann erst wieder am Morgen, würde er durchschlafen. Doch sie hatte damit den Zeitrhythmus des Kindes gestört, und Nico schrie noch häufiger als vorher während der Nacht. Aus Überdruß stellten sie das Kinderbett öfters ins Wohnzimmer, wo es bald darauf seinen ständigen Platz hatte. Nico fühlte sich allein gelassen und brüllte nun noch mehr. Die Nachbarn, die das Schreien hörten, sprachen Frau Erdman daraufhin an. Sie antwortete, Nico sei krank und weine deshalb. Die Nachbarn gaben sich mit dieser Antwort zufrieden, sie glaubten Frau Erdmann, die sich stets freundlich und zuvorkommend den Nachbarn gegenüber zeigte. Die einzige Person, die bei Besuchen das wirkliche Geschehen mitbekam, war die langjährige Schulfreundin der Mutter. Sie sah wie Frau Erdman litt und hielt es für eine gute Idee, für Nico eine Tagesmutter zu suchen. Es bereitete ihr keine Mühe, die Mutter davon zu überzeugen, daß es so für alle am besten wäre. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Platz.

Im Alter von neun Monaten kam Nico zu einer Tagesmutter, Frau Kerscher, eine nette aufgeschlossene Frau, bei der Nico in guter Obhut war. Er wurde morgens um 6.30 Uhr von der Mutter zu ihr gebracht und nachmittags um 15.30 Uhr abgeholt. Bei Frau Kerscher lernte Nico eine völli g neue Welt kennen. Er konnte umherkrabbeln ohne ständig ausgeschimpft zu werden, daß er irgendetwas nicht berühren sollte. Er durfte frei seine neue Umgebung erkunden, und mit ihm wurde im ruhigen, lieben Ton gesprochen. Niemand schrie ihn an, wenn er beim Essen manschte oder eine volle Tasse umstieß. Innerhalb einer kurzen Zeit hatte Frau Kerscher eine gute emotionale Bindung zu Nico hergestellt. Bei ihr konnte er durch körperlichen Kontakt und durch ihre geduldige, liebe Art Wärme und Geborgenheit kennenlernen, was er zu Hause nie erfahren hatte. Es war auch Frau Kerscher, die Nico beibrachte, in ganzen Sätzen zu sprechen. Immer wieder übte sie mit ihm Worte und kurze Sätze, doch zu Hause interessierte sich niemand sonderlich dafür.

Frau Erdman ging nun wieder arbeiten. Sie war von 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr in einer Kantine beschäftigt. Nico weinte jeden Tag, wenn die Mutter ihn von der Tagesmutter abholte. In den ersten Wochen konnte ihn seine Mutter noch durch gutes Zureden beruhigen. Doch schon bald half auch kein Zureden mehr, und Frau Erdman begann wieder, Nico anzuschreien, sowie sie außer Sichtweite der Tagesmutter waren. Zu Hause fand sie keine Zeit für Nico, er war sich viel selbst überlassen. Er war höchstens im Weg oder zu laut. Wenn seine Mutter dann mit den Hausarbeiten und dem Essen kochen für ihren Mann fertig war, gab es Abendbrot, und danach wurde Nico sofort ins Bett gesteckt. Morgens, wenn er bei seiner Tagesmutter abgegeben wurde, weinte er nicht. Doch am Nachmittag, wenn er abgeholt wurde, brach er in Tränen aus. Dieses Benehmen erzürnte seine Mutter, denn er brachte damit wohl zum Ausdruck, bei wem er bleiben wollte. Er merkte wohl den Unterschied zwischen den Elternhaus und der Tagesmutter.

Inzwischen gelang es Frau Erdman auch nicht, Nico durch Worte und Zuwendung zu beruhigen. Sie schrie ihn meistens nur an und prügelte ihn, sodaß die Angst Nico zum Schweigen brachte. Bei Frau Kerscher benahm sich Nico nicht auffällig, sondern verhielt sich sehr ruhig. Er war eher in sich gekehrt, als daß er für ein Kind typischen Krach machte, was Frau Kerscher jedoch nicht bewußt registrierte. Sie beschäftigte sich viel mit Nico. Sie spielten mit Bauklötzern, bauten Tunnel für kleine Autos, sie las ihm Geschichten vor und sie besuchten gemeinsam Spielplätze. Auch das Laufen hatte Nico bei ihr gelernt, was er mit 14 Monaten selbständig konnte. Beim Sprechen machte er ebenfalls Fortschritte, doch lernte er nur langsam, denn seine Eltern kümmerten sich kaum um ihn.

Die Kommunikation zwischen den beiden Frauen war sehr gering, sie sprachen sich nie etwas ab. Frau Erdman stellte selten Fragen, was ihren Sohn betraf, sie wollte immer so schnell wie möglich weg. Frau Kerscher erzählte zwar manchmal von sich aus, welche neuen Worte Nico zum Beispiel gelernt hatte, doch setzte sie voraus, daß Frau Erdman wüßte, wie er sich verhält und welche Fortschritte er machte. Über das bitterliche Weinen, wenn Nico nachmittags abgeholt wurde, wunderte sich Frau Kerscher schon, doch sprach sie Frau Erdman daraufhin nicht an. Sie hatte auch nicht die kleinen Hinweise von Nico wahrgenommen, zum Beispiel, daß er nie erzählte, was er zu Hause erlebte, oder, daß er sehr ängstlich war, wenn ihm etwas herunterfiel und kaputt ging. Er erschrak zum Beispiel auch immer, wenn jemand an der Tür klingelte, und er wich zurück, wenn Frau Kerscher zügig oder ruckartig auf ihn zukam. Für zwei Jahre war Frau Kerscher die einzige wirkliche Bezugsperson für das Kind. Leider hatte sie es versäumt, auf die Eltern und auf die besonders stille und ängstliche Art von Nico einzugehen, und so konnte Nicos Mutter erneut vor der Außenwelt verbergen, wie sie mit ihm umging.

Mit 3 Jahren kam Nico in den Kindergarten. Dieser Wechsel war sehr schwer für ihn, er wurde nur mit wenigen Worten darauf vorbereitet und wollte sich absolut nicht von seiner Tagesmutter trennen. Im Kindergarten verhielt sich Nico sehr still, er tat sich schwer im Umgang mit anderen Kindern, und die Erzieherin ließ er nur sehr zögernd an sich heran. Nico hatte sich eine Ecke im Gruppenraum gesucht, wo er allein spielen konnte. Er reagierte kaum auf andere Kinder, beantwortete Fragen nur sehr knapp und ließ sich nur von der Erzieherin in ein Gruppenspiel einbeziehen. Nico wurde mit der Gruppe nicht "warm" und entwickelte sich zum Außenseiter. Er war sehr verletzbar und weinte oft, wenn andere Kinder ihn ärgerten. Er wehrte sich auch nie, wenn ein Kind ihm Spielzeug wegnahm oder er geschubst oder gehänselt wurde. Seine Reaktion waren ein paar Worte, Weinen und die Suche nach einem Platz, um sich zurückziehen zu können.

Wenn die Erzieherin sah, wie Nico weinte, ging sie nicht lange auf Nico ein sondern wies die anderen Kinder zurecht und erklärte Nico, daß er sich wehren und Anschluß suchen sollte. Im Laufe der Zeit hatten die Kinder sich damit abgefunden, daß Nico der Außenseiter war. Wenn er doch manchmal mit ihnen spielen wollte, wollten sie nichts mit ihm zu tun haben. Nico versuchte auch nur sehr zaghaft, sich bemerkbar zu machen, denn er war zu eingeschüchtert, um direkt zu sagen was er wollte. Etwas neues zu lernen dauerte bei Nico immer etwas länger als bei den anderen Kindern. Machte oder sagte er dann etwas "falsch", wurde er ausgelacht und fing an zu weinen. Er ließ sich dann auch nicht von der Erzieherin helfen, sondern er wurde trotzig und blieb stumm.

Nicos Mutter brachte ihn morgens immer zum Kindergarten, und sie holte ihn auch ab, doch kam es vor, daß er nachmittags lange auf sie warten mußte. Dann kam sie, wenn der Kindergarten bereits geschlossen hatte, jedoch ohne Erklärung dem Kind gegenüber. Sie hatte sich etwas Freizeit gegönnt, ohne in Betracht zu ziehen, daß ihr Sohn in Angst auf sie wartete und dachte sie könne ihn vergessen. Diese Gedanken des Kindes kamen ihr jedoch nicht in den Sinn. Vom Vater wurde Nico nie abgeholt selbst, wenn er die Zeit dafür gehabt hätte, er interessierte sich schrecklich wenig für seinen Sohn. Zu Hause überließ er alle Aufgaben seiner Frau. Ganz selten sprach er mit Nico, nahm ihn auf den Schoß und erzählte mit ihm. Doch manchmal, wenn er mit ihm tobte, ihn kitzelte oder boxte endete es meist mit Tränen, weil er seine Kräfte nicht einschätzen konnte und dem Kind weh tat. Dann beschimpfte er seinen Sohn als "Heulsuse" und "Memme". Das hatte zur Folge, daß Nico seinem Vater lieber aus dem Weg ging.

An den meisten Tagen kam Herr Erdman im angetrunkenden Zustand nach Hause, wenn Nico bereits im Bett lag. Nico hörte dann, wie sich die Eltern stritten. Sie brüllten sich an, manchmal hörte er auch die Mutter weinen. Die Situation zwischen Nicos Eltern hatte sich inzwischen so zugespitzt, daß Herr Erdman seine Frau oft schlug und sie wiederum ließ ihre Wut an Nico aus. Sie bestrafte ihn unnötig, und nicht selten "rutschte ihr die Hand aus". Dann fand der Junge auch bei seinem Vater keinen Schutz. Der schlug ihn zwar nicht, doch war da eine Strenge in seinen Worten und in seinem Blick, sodaß Nico genauso viel Angst vor ihm wie vor seiner Mutter hatte. Hin und her gerissen zwischen der Strenge seiner Eltern und der zwar seltenen aber manchmal fast warmen Zärtlichkeit seiner Mutter, wußte Nico nie mit Sicherheit, was Lob oder Strafe auslöste, also ging er den Eltern lieber aus dem Weg.

Frau Erdman war mittlerweile nervlich so am Boden, daß sie sich entschloß, zum Arzt zu gehen. Der verschrieb ihr Beruhigungstabletten, die jedoch schon bald nicht mehr wirkten. Sie bekam noch stärkere Mittel, was zur Folge hatte, daß Frau Erdman nach einem halben Jahr medikamentenabhängig wurde.

Im Alter von 5 1/2 Jahren kam Nico als "Schlüsselkind" in die Vorschule. Dort verhielt sich Nico weiterhin sehr zurückhaltend. Er hörte zu und sagte wenig, jedoch wohl bedacht, nichts "Falsches" zu sagen, um nicht ausgelacht zu werden. Nico malte gern, was ihm auch besser gelang, als vor der Klasse die Zahlen 1-10 aufzusagen. Die Erzieherin ging mit viel Lob auf Nicos Talent ein und machte dadurch die anderen Kinder auf Nicos positive Seite aufmerksam. Sie lachten ihn zwar manchmal noch aus, wenn er beim Sprechen ins Stocken kam, doch akzeptierten sie seine Zurückgezogenheit jetzt mehr als vorher.

Für Nico gab es keine Probleme in der Vorschule, und so wurde er im Alter von 6 1/2 Jahren in die erste Klasse eingeschult. In den ersten zwei Jahren traten für Nico keine besonderen Probleme auf, er hatte sich in der Klasse eingelebt, und ihm gefiel die Schule. Nach wie vor war er ein ruhiges Kind, doch schloß er sich nicht mehr völlig aus. Die Nachmittage verbrachte er im Schulhort, wo er auch seine Hausaufgaben erledigte. In dieser Zeit ging er direkt nach dem Schulhort nach Hause. Zu Hause hatte sich leider nicht viel verändert. Seine Mutter machte ihm täglich die Schulbrote, doch für die Schule selbst interessierte sie sich nur, wenn sie schlechte Laune hatte. Dann kontrollierte sie kleinlich die Aufgabenhefte und ließ Nico beim geringsten Fehler den sie gefunden hat alles noch mal neu schreiben. Als Nico einmal mit einer zerrissenen Hose aus der Schule nach Hause kam, bekam die Mutter einen Wutanfall. Bevor Nico etwas zur Entschuldigung sagen konnte, erhielt er maßlos Prügel. Danach weinte die Mutter, was Nico erst recht nicht verstand.

Als am Abend der Vater -wieder betrunken- nach Hause kam, schrie er seine Frau grundlos an. Als sie sich verbal zu wehren versuchte, schlug er sie. Nico hatte alles gesehen und sich voller Angst im Badezimmer versteckt. Seine Mutter tat ihm leid, doch konnte er mehr Gefühl für sie nicht aufbringen. Er wußte auch nicht, wie er ihr helfen konnte.

Als Nico 9 Jahre alt war, ließen sich die Eltern scheiden. Nico blieb bei der Mutter in der Hoffnung, alles würde sich zum Guten wenden. Er war überhaupt nicht traurig darüber, daß der Vater nun nicht mehr da war.

Kurz nach der Scheidung nahm sich Frau Erdman viel Zeit für ihren Sohn, doch wußten sie beide nicht miteinander umzugehen. Nico wollte nicht von seiner Mutter gedrückt und geküßt werden, er kannte diese Zärtlichkeiten ja nicht und entzog sich ihnen. Er verspürte keine Lust, mit der Mutter etwas zu unternehmen und kam jetzt öfter mal spät nach Hause. Frau Erdman reagierte nun wie früher, mit Aggressivität, Strafen und Schlägen. In der Nachbarschaft hatte Nico keine Freunde, die Kinder gingen ihm aus dem Weg. Die Leute erzählten sich untereinander, was bei Erdmans los war. Nico litt unter dem Gerede, zudem das Streiten der Eltern reichlich Anlaß gegeben hatte. Anstatt etwas zu unternehmen, schauten die Leute ihn nur mitleidig an, und die Kinder in der Nachbarschaft hänselten ihn.

Auch jetzt, wo der Vater nicht mehr zu Hause wohnte, war Nico völlig auf sich allein gestellt. Seine Mutter kam oft spät nach Hause, was auch die Nachbarn bemerkten, doch reagierten sie auf diese Umstände nicht. Nico fühlte sich mehr und mehr allein gelassen. Er kam bald nur noch zum Essen und Schlafen nach Hause und begann auf der Straße herumzulungern. Er mußte feststellen, daß seine Mutter kaum Notiz davon nahm, wo er sich aufhält und mit wem er Kontakt hatte.

Mit 11 Jahren schloß Nico sich einer Clique an. Die meisten der Kinder kamen aus ähnlichen Verhältnissen wie er. Den "Einlaß" in diese Gruppe erkämpfte er sich durch Botengänge für den Anführer der Gruppe und mit einer Mutprobe in Form eines Diebstahls.

Er entwendete in einem Einzelhandelsgeschäft, in der Straße in der er wohnte, einen Fotoapparat. Der Geschäftsbesitzer, welcher ihn bei dem Diebstahl erwischte, zeigte ihn jedoch nicht an, sondern berichtete seine Mutter davon, die ihn dafür bestrafen sollte. Leider erzählte der Geschäftsbesitzer nicht nur der Mutter von dem Vorfall, sondern sprach auch mit einigen Anderen darüber. Das hatte zur Folge, daß er in der Straße von vielen als "Dieb" und "Taugenichts" hingestellt wurde. Dem jetzt 12 Jahre alten Nico war es nicht möglich, sich gegen diese Verurteilungen zu wehren. In der Clique fühlte er sich wohl. Keiner "nervte" ihn. Er wurde in Ruhe gelassen. Durch seine Diebstähle, bei denen er sich nicht mehr so schnell erwischen lassen wollte, erlangte er in der Clique ein gewisses Ansehen und kam in der Cliquenhierachie gleich an dritter Stelle hinter dem Anführer Frank, der durch seine körperliche Kraft und nach Axel, der durch seine "Sprüche" auffiel.

Nachdem Nico nach zahlreichen geglückten Diebstählen nach ca. einem Jahr doch erwischt wurde, war er bereits in einem solchen Kreislauf drin, aus dem er nicht mehr mit eigener Kraft raus zukommen schien. Diebstahl, Anzeige..., Jugendgerichtshilfe..., Verurteilung zu zwei Diensten pro Woche in einer caritativen Einrichtung - mal für zwei Monate, mal für sechs Monate, neue Delikte usw. Es ging soweit, daß er schließlich als Zwanzigjähriger nach einem bewaffneten Raubüberfall zu vier Jahren ohne Bewährung verurteilt wurde.
 
 
 

3.1 Die Anomietheorie

Die Entstehung der Kriminalität aus soziologischer Sichtweise
 
 

Seit Bestehen der Soziologie als Wissenschaft, beschäftigt sie sich mit der Thematik der Kriminalität als eine besondere Form des abweichenden Verhaltens. Alle soziologischen Erklärungsansätze, die bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt wurden, sehen in der Sozialstruktur der Gesellschaft eine stimulierende Kraft für die Entstehung von Jugendkriminalität. Anders ausgedrückt, sie sehen Kriminalität vorrangig als gesellschaftliche Krankheit und nicht als Charakterkrankheit des Einzelnen an. So auch die Anomietheorie, die von dem amerikanischen Soziologen Robert K. Merton entwickelt und erstmals 1938 publiziert wurde. Wörtlich ins Deutsche übersetzt bedeutet Anomie Normlosigkeit. Er meint damit aber nicht die Normlosigkeit einer einzelnen Person, sondern er definiert Anomie als einen gesellschaftlichen Zustand, der durch den Zusammenbruch des Systems allgemein verbindlicher Werte und Normen gekennzeichnet ist, besonders den Zusammenbruch der Verhaltensregulierung und des Anspruchniveaus. Allgemein verbindliche Werte sind Ziele, welche uns in der Gesellschaft Ansehen verschaffen. Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland können wir mit Sicherheit modische Kleidung, einen Sportwagen oder finanzielle Sicherheit dazu zählen. Unter Normen verstehen wir die legitimen Mittel wie z.B. Geld, um diese Ziele auch erreichen zu können.

Der Erklärungsansatz von Merton basiert auf der Ausgangsfrage "...in welcher Weise die soziale und kulturelle Struktur auf Personen in unterschiedlichen Situationen in dieser Struktur einen Druck ausübt, sich sozialabweichend zu verhalten". (Merton 1968,284)

Um diese Frage im vollem Umfang verstehen zu können, müssen wir erst einmal die kulturelle von der sozialen Struktur klar abgrenzen. Merton versteht unter der kulturellen Struktur die kulturell definierten Ziele, Motivationen und Absichten, also wie oben an dem Beispiel Bundesrepublik Deutschland schon erwähnt, die Werte einer bestimmten kulturellen Struktur.

Weitere Bestandteile der kulturellen Struktur bilden die legitimen Mittel, die zur Erreichung der Ziele führen. Typische legitime Mittel in unserer kulturellen Struktur können Arbeit, Fleiß und Geld sein.

Unter der sozialen Struktur, Merton spricht auch von der gesellschaftlichen Struktur, versteht er die reale Chancenstruktur, die auf die Person wirkt, also welche Möglichkeiten bzw. Mittel sie hat. Oft aber besteht eine Diskrepanz zwischen der kulturellen und der gesellschaftlichen Struktur, zum Beispiel wenn jemand die kulturelle Struktur finanzielle Sicherheit bejaht, aber die gesellschaftliche Struktur hohe Arbeitslosigkeit, ihm keine Verwirklichungschance bietet. Merton kommt zu dem Ergebnis, daß Anomie entsteht, wenn zwischen kulturell definierte Zielen und legitimer Mittel, einerseits und den sozial strukturierten, tatsächlichen Möglichkeiten und Chancen andererseits eine starke Diskrepanz besteht. "Nur bei einem zu starken Auseinanderklaffen von Zielen und Mitteln entsteht abweichendes Verhalten im großen Umfang. In Kastengesellschaften wie im alten Indien beispielsweise, in denen für jede Kaste genau definierte Ziele, Intentionen und Motive sowie entsprechende legitime Mittel zur Erreichung dieser Ziele auch von der Sozialstruktur her tatsächlich optimal vorhanden sind, wird ein abweichendes Verhalten aufgrund anomieischer Zustände nicht anzutreffen sein." (Merton 1968, 298)

Die Sozialstruktur kann sich also hemmend oder fördernd auf die kulturelle Struktur auswirken. Entscheidend ist dabei, in welchem Maß die Sozialstruktur mit der kulturellen Struktur integriert ist.

Für anomieische Sozialstrukturen, in denen ein hoher Druck in Richtung auf deviantes Verhalten entsteht, hat Merton eine Typologie der Situationsbewältigung entworfen, auf die ich jedoch hier nicht speziell eingehen werde.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

3.2 Die erweiterte Form der Anomietheorie
 
 

Der Soziologe Karl-Dieter Opp hat im Jahre 1974 die Anomietheorie von Merton in entscheidenen Punkten verändert und präzisiert. Opp spricht nicht mehr von kulturell definierten Zielen sondern von Zielen generell, er erweitert damit den Anwendungsbereich der Anomietheorie. Somit läßt sich folgende These formulieren:
 
 

Wenn Personen bestimmte Ziele akzeptieren,

wenn Personen Normen, die in einer Gesellschaft als legitim betrachtet werden, zur Erreichung dieser Ziele nicht akzeptieren,

dann trägt dies dazu bei, daß sich die Personen abweichend verhalten.

(Opp in Steuber 1988,75)
 
 

Merton schreibt in seiner Anomietheorie, daß die Ziele wie auch die regulierenden Normen in unterschiedlichen Gesellschaften auch unterschiedlich stark betont werden. Opp spricht von einer Intensität der Ziele und regulierenden Normen. Es kann sich also eine Person konform verhalten, wenn diese das Ziel verfolgt, einen Sportwagen zu besitzen (hohe Intensität) und die regulierenden legitimen Normen, nämlich ihn mit eigenen Mitteln zu bezahlen (hohe Intensität) es ihr ermöglicht, ihn zu kaufen. Somit muß die Hypothese erweitert werden:
 
 
 
 

Je intensiver die Ziele von Personen sind,

je weniger intensiv die für die Realisierung dieser Ziele relevanten legitimen regulierenden Normen sind,

desto eher verhalten sich diese Personen abweichend.
 
 

(Opp in Steuber 1988, 75)
 
 

Die Hypothese hat jedoch keine Aussagekraft über die Art des abweichenden Verhaltens. Opp schreibt, wenn eine hohe Intensität legitimer regulierender Normen zum Auftreten konformen Verhaltens beiträgt, dann ist zu erwarten, daß eine hohe Intensität illegitimer regulierender Normen zum Auftreten abweichenden Verhaltens beiträgt. Es wird also anzunehmen sein, daß sich eine Person in der Form abweichend verhält, bei der sie die größte Intensität illegitimer regulierender Normen verspürt. Das heißt, wenn die Personen den Sportwagen durch Diebstahl oder durch Urkundenfälschung besitzen kann, wird sie die Möglichkeit wählen, zu der sie sich am besten eignet bzw. bei der sie die höhere Intensität verspürt. Es kommt folglich zu einer Erweiterung der Hypothese:
 
 

Je intensiver die für die Ausführung einer Klasse von Handlungen relevanten Ziele von Personen sind,

je weniger intensiv die für die Realisierung dieser Ziele relevanten legitimen regulierenden Normen für bestimmte konforme Handlungen aus der genannten Klasse von Handlungen sind,

je intensiver die für dir Realisierung dieser Ziele relevanten illegitimen regulierenden Normen für bestimmte abweichende Handlungen aus der genannten Klasse von Handlungen sind,

desto eher werden die Personen diese abweichenden Handlungen ausführen.

(Opp in Steuber 1988, 75)
 
 

Bis jetzt sagt die Hypothese von Opp noch nichts über die spezifische Schichtzugehörigkeit einer Person aus bzw. welche Zugangschancen der Betroffene zu den legitimen regulierenden Normen hat, bedingt durch seinen sozialen Status. Es kann jemand das intensive Ziel haben, einen Sportwagen besitzen und ihn mit legitimen Normen erwerben zu wollen, wird jedoch von seiner Schichtzugehörigkeit verhindert, das Geld jemals zu verdienen, um diesen bezahlen zu können. Als Beispiel sei hier ein Analphabet aus der Unterschicht erwähnt, der mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine so hoch bezahlte Arbeit findet, um sich dieses Ziel zu verwirklichen. Er hat keine legitimen Zugangschancen, das heißt, die Realisierung des Ziels durch Befolgung der legitimen regulierenden Normen sind ihm versperrt. Somit lautet die neue erweiterte Hypothese:
 
 

Je intensiver die für die Ausführung einer Klasse von Handlungen relevanten Ziele von Personen sind,

je weniger intensiv die für die Realisierung dieser Ziele relevanten legitimen regulierenden Normen für bestimmte konforme Handlungen aus der genannten Klasse von Handlungen sind,

je intensiver die für die Realisierung dieser Ziele relevanten illegitimen regulierenden Normen für bestimmte abweichende Handlungen aus der genannten Klasse von Handlungen sind,

je geringer die Möglichkeiten sind, die Ziele gemäß den legitimen regulierenden Normen zu erreichen,

desto eher werden die Personen die abweichenden Handlungen ausführen.

(Opp in Steuber 1988, 76)
 
 

Es wurde aber auch diese Hypothese wieder modifiziert, diesmal durch Richard A. Cloward. Seine Überlegungen richten sich auf die Art des abweichenden Verhaltens bzw. welche Realisierungschancen der Betroffene hat, sein Ziel durch eine bestimmte Form der illegitimen regulierenden Normen zu erreichen. Er spricht von unterschiedlichen illegitimen Realisierungs-chancen. Es wird also eine Person, welche sich entschlossen hat, ein Auto zu stehlen,-bedingt durch die letztere erweiterte Hypothese - dies auch nur durchführen können, wenn sie entweder ein Auto aufbrechen kann oder aber Kontakt zu anderen Personen hat, welche die Tat für sie begehen. Als Ergebnis dieser Überlegung lautet die Hypothese wie folgt:
 
 

Je intensiver die für die Ausführung einer Klasse von Handlungen relevanten Ziele von Personen sind,

je weniger intensiv die für die Realisierung dieser Ziele relevanten legitimen regulierenden Normen für bestimmte konforme Handlungen aus der genannten Klasse von Handlungen sind,

je intensiver die für die Realisierung dieser Ziele relevanten illegitimen regulierenden Normen für bestimmte abweichende Handlungen aus der genannten Klasse von Handlungen sind,

je geringer die Möglichkeiten sind, die Ziele gemäß den legitimen regulierenden Normen zu erreichen,

je größer die Möglichkeiten sind, die Ziele gemäß den illegitimen regulierenden Normen zu erreichen,

desto eher werden Personen die abweichenden Handlungen ausführen.

(Opp in Steuber 1988, 76)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

3.3 Die erweiterte Form der Anomietheorie von Opp, angewandt auf den "imaginären Fall" Nico
 
 

Nachdem ich die Anomietheorie vorgestellt habe, möchte ich die zuletzt zitierte Hypothese soweit individualisieren, so daß sie die sozialen und soziologischen Faktoren aufzeigen kann, welche Nico motiviert haben, sich abweichend zu verhalten. Ich beziehe mich dabei auf den zuvor beschriebenen mißglückten Diebstahl des Fotoapparates.

Je größer Nico das Bedürfnis verspürt, den Fotoapparat zu erhalten,

(Intensität der Ziele)

je weniger sein soziales Umfeld (insbesondere seine Mutter) sich bemüht haben, ein Ziel mit gesellschaftlich akzeptierten Mitteln zu erreichen,

(Intensität legitimer Normen)

je weniger Möglichkeiten er hat, den Fotoapparat mit gesellschaftlichen akzeptierenden Mitteln, zum Beispiel in Form mit Geld zu zahlen,

(Grad der legitimen Möglichkeiten)

je mehr Nico geeignet ist, zum Beispiel durch Geschick den Fotoapparat zu erhalten,

(Grad der illegitimen Möglichkeiten)

desto eher wird er sich abweichend verhalten und den Fotoapparat stehlen.

An dem Beispiel können wir sehen, daß das Abweichende Verhalten von Nico mit der Anomietheorie erklärbar ist. Welche Folgen das für die Sozialarbeit, insbesondere der Streetwork-Sozialarbeit haben kann und ob das abweichende Verhalten eines Jugendlichen wirklich nur mit einem Satz zu erklären ist, werde ich im 4.Kapitel dieser Arbeit beschreiben.
 
 




3.4 Die Entstehung der Jugendkriminalität aus psychoanalytischer Sichtweise beziehungsweise die Entwicklung zum psychopathischen Täter nach Redl, Moser u.a.





Bevor ich speziell auf die Entwicklung des psychopathischen Täters eingehe, möchte ich einleitend die Bedeutung der frühen Kindheit, der Familie und deren Erziehungsstil beschreiben.

Die charakterliche Entwicklung des Menschen hat aus psychoanalytischer Sicht ihre Ursache in der frühen Kindheit. Von großer Bedeutung ist hierbei die emotionale Beziehung zwischen dem Kind beziehungsweise Kleinkind oder Säugling zu seiner Bezugsperson. "Die stabile seelische Zuwendung der Bezugsperson ist die Grundbedingung für die Entwicklung des Urvertrauens des Kindes in die Welt. Emotionale Mangelzustände in der frühen Kindheit, zum Beispiel bei Heimkindern, bei Vernachlässigung oder Ablehnung durch die Bezugsperson können zu andauernden psychischen, sozialen ja sogar körperlichen Schäden führen." (Ignatz Kerscher 1977, 11)

Rene Spitz hat hierzu in den sechziger Jahren psychoanalytisch orientierte empirische Untersuchungen durchgeführt. In einem Findelhaus untersuchte er Kinder, die von ihrer Pflegerin aus psychischer, hygenischer und medizinischer Sicht gut versorgt wurden. Trotzdem zeigten diese Kinder Hospitalisierungserscheinungen, da die Pflegerin für mehr als zehn Kinder zuständig war und somit keine Mutter - Kindbeziehung entstehen konnte. Die Kinder lagen bewegungslos im Bett, wimmerten, waren weinerlich, litten unter Schlafstörungen. Sie wiesen eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten auf und so weiter. Spitz nannte dieses Syndrom anaklitische Depression hinsichtlich der Ähnlichkeit der Depression bei Erwachsenen. "Der Begriff anaklitische Depression bedeutet eine depressionsähnliche Erkrankung von Kleinkindern, die auf den Verlust der anaklitischen Identifikation, das heißt der Beziehung zu einer ersten Bezugsperson, also meistens der Mutter, folgt." (Ignatz Kerscher 1977, 11)

Welche bedeutsame Rolle diese Beziehung hat und wie wichtig die Intaktheit der Familie aus psychoanalytischer Sicht ist, wird an Hand der Forschung von Horst Eberhard Richter deutlich. Sowohl eine übermäßige Verwöhnung und inkonsequente Erziehung als auch eine zu starke Einengung und Dressur des Kindes kann ihren Ausdruck in einer kriminellen Handlung finden. Das psychodynamische Modell der Instanzen: Ich, Es, Über Ich zeigt uns, welche Formen eine "nicht geglückte" Erziehung annehmen kann, beziehungsweise wie die Charakterstruktur des Gewissens entscheidend in der frühen Kindheit geprägt wird und wie dieses abhängig vom Beginn, Dauer und Intensität der Identifikation mit der Bezugsperson ist. (Das Es umfaßt die triebhafte, unbewußte Seite, das Über Ich ist eine Kontrollinstanz, die(un)bewußt die moralische Wertung übernimmt und die moralischen Gebote und Verbote der Eltern beinhaltet. Das Ich vermittelt zwischen den Triebansprüchen des Es, den moralischen Forderungen des Über Ichs und der Realität der Außenwelt. Kuiper schreibt hierzu: "Die geglückte anaklitische Identifikation mit der ersten Bezugsperson, bildet eine solide Basis für die defensive Identifikation in der ödipalen Situation, ... Resultat optimaler Prozesse der Identifikation und Gewissenbildung ist ein Über Ich, das eher ins Ich assimiliert und integriert erscheint. Es meldet sich als "Stimme des Gewissens" bereits bei der Intention verbotener Handlungen und ist durch seine Warn- und Signalfunktion für das Ich hilfreich bei der Verhaltensregulierung". (Kuiper in Ignatz Kerscher 1977, 14, 15)

Es stellt sich nun die Frage, wie verhält sich ein Mensch bei dem die anaklitische Identifikation gestört ist beziehungsweise die Inhalte der Identifikation und somit die Entwicklung des eigenen Gewissens von der Norm abweicht? Gehen wir davon aus, daß die Bezugsperson des Kindes im ersten Lebensjahr durch Ablehnung in Form einer Affektsperre, Inkonsistenz emotionaler Liebe usw. die orale Phase des Kindes geprägt hat. Folglich tritt es geschwächt in die zweite Phase der analen Phase. Es können sich somit phasenspezifische Störungen summieren, so daß in der ödipalen Phase auch der Identifikationstransfer von der Mutter zum Vater gestört ist. Das Ergebnis der nur unzureichenden Entwicklung eines Urvertrauens sind Charakterdeformationen wie Ambivalenz, Antisozialität und Asozialität bedingt durch Über Ich Defekte, Über Ich Lücken und Über Ich Deformationen. Die entstandene psychopathische Persönlichkeit zeichnet sich unter anderem durch Frustrationsintoleranz, mangelnde Impulskontrolle und einer hohen Anfälligkeit für gruppenpsychologische Intoxikationen aus, da "die Stimme des Gewissens" sich nur unzureichend entwickelt hat. Die Folge ist, daß der Betroffene sein "Es", also seine Triebe und inneren Bedürfnisse wie zum Beispiel einen Gegenstand zu besitzen mit sämtlich zur Verfügung stehenden Mitteln also auch durch Stehlen, freien Lauf läßt, da sein "Über Ich" beziehungsweise seine moralische Instanz ihn nicht auf die Normabweichung hinweist und das "Ich" sich somit für das "Es" entscheidet. Aus diesem Handlungsablauf im innerpsychischen Bereich ergibt sich nun die Frage, welche Eigenanteile beziehungsweise welche Schuld der Betroffene hat für sein Handeln, und welche Folgen sich daraus, besonders im Bezug der Prävention der Sozialarbeit und Sozialpädagogik ergeben. Siehe hierzu Kapitel 4.
 
 
 
 
 
 
 
 

3.5 Die psychopathische Form der Kriminalität angewandt auf den "Fall Nico"
 
 

Reflektieren wir nochmals Nicos frühkindliche Entwicklung, so finden wir folgende Charakteristika in der Mutter-Kindbeziehung. Ungewollte Schwangerschaft, Nico wurde nicht mit der Muttermilch gestillt. Schrie Nico, schrie die Mutter ihn ebenfalls an. Extreme Stimmungsschwankungen des Vaters. Nico schlief häufig allein im Wohnzimmer. Mit neun Monaten kam Nico zu der Tagesmutter Frau Kerscher.

Im vorherigen Abschnitt 3.4 beschrieb ich die Basis für die Entwicklung des Gewissens und somit auch die Bedeutung des "Urvertrauens" eines Menschen. Wie sollte sich jedoch bei Nico ein Urvertrauen bilden? Wie schon oben erwähnt, wurde Nico nicht mit der Muttermilch gestillt, das heißt, daß er beim Stillen auch nicht die emotionale Wärme der Mutterbrust erfahren konnte, da der intensive körperliche Kontakt, zum Beispiel das Ertasten der Mutterbrust fehlte. Es kann zwar die Babyflasche die körperlichen Bedürfnisse des Kindes stillen, jedoch die psychischen Bedürfnisse des Kindes bleiben, zumindest bei unserem "Fall", auf der Strecke. Die ungewollte Schwangerschaft und die immer wieder aufkommende ablehnende Haltung der Mutter gegen Nico schafft auch keinen Ausgleich am Bedürfnis emotionaler Wärme und Nähe. Im Gegenteil, wenn Nico schrie kam es auch vor, daß seine Mutter ihn anschrie, weil sie sich in ihrer Situation überfordert fühlte. Die Nächte, die Nico allein im Wohnzimmer verbrachte und sein Schreien, das seine Eltern nun nicht mehr hören konnten oder wollten, trug ebenfalls zu keiner "gesunden" Entwicklung seines Urvertrauens bei. Die einzige Erfahrung, die er dabei machte war, daß sich keiner um ihn kümmert wenn er schrie. Er war allein und konnte nicht darauf vertrauen, daß sich seine Eltern um ihn kümmerten.

Nico hatte zwar im Alter von neun Monaten eine neue Bezugsperson in seiner Tagesmutter gefunden, jedoch konnte er auch zu ihr keine konstante Beziehung aufbauen, da er immer wieder zurück ins Elternhaus mußte. Hin und her gerissen zwischen Mutter, Tagesmutter und dem Vater mit seinen extremen Stimmungsveränderungen mußte sich Nico in der für ihn neuen Welt orientieren. Wie sollte sich aus dieser Situation heraus eine "normale" anaklitische Identifikation bilden und mit wem? Mit dem Vater, der der Trinker und affektlabil ist, der seine Mutter anschreit und sie später auch schlägt? Mit der Mutter, die ihn innerlich ablehnt und sich überfordert fühlt und später in die Medikamentensucht flüchtet? Mit der Tagesmutter, von der er emotionale Zuneigung erfährt und die ihn aber immer wieder allein zu seinen Eltern zurückschickt?

Ich bin der Meinung, daß in diesen Fragen die Antwort schon enthalten ist. Das Ergebnis dieser Situation, das unzureichend entwickelte Urvertrauen und die unzureichende anaklitische Identifikation mit einem "normgerechten" Sozialisationsagenten kann nur lauten: Es ist eher Glück, daß Nico "nur" durch Diebstähle und einem Raubüberfall auffällig wurde und nicht mit einer noch schwerwiegenderen Tat.
 
 
 
 
 
 
 
 

3.6 Das "Teufelskreismodell" von Stephan Quensel
 
 

Ende der sechziger Jahre wurde durch den Soziologen Fritz Sack eine neue Diskussion über die Entstehung von Kriminalität entfacht. Seine radikale Theorie des Labeling Approach sieht die Entwicklung zum "Kriminellen" aus einer völlig neuen Sichtweise. Der Labeling Approach, wörtlich übersetzt Etikettierungsansatz untersucht die Entwicklung des "Kriminellen" nicht nur aus psychologischer beziehungsweise psychoanalytischer oder soziologischer Sichtweise, sondern beschreibt den Aufschaukelungsprozeß zwischen dem Verhalten des "Kriminellen" und den Stigmatisierungsprozessen der Gesellschaft und deren staatlichen Institutionen. Stigmatisierung beziehungsweise Stigma meint hierbei nicht die ursprüngliche Bedeutung des Gebranntmarkten durch ein Brennungsmerkmal, sondern die Kennzeichnung einer Person durch Zuschreibung von Begriffen wie: der Dieb, der Mörder, der Kriminelle etc.

Der Labeling Approach geht davon aus, daß zwei Gedanken in der bisherigen Kriminalsoziologie zu wenig berücksichtigt worden sind. "...1. den Gedanken, daß "Kriminalität" keine deskriptive Kategorie sondern Resultat gesellschaftlicher Normenvorstellungen ist. 2. den Gedanken, daß die gesellschaftliche Reaktion auf abweichendes Verhalten zur Entstehung und Verfestigung beiträgt, indem sie die Abweichenden stigmatisiert und in kriminelle Karrieren abdrängt." (Steuber 1988, 79)

Als ein Beispiel für den ersten Gedanken möchte ich einen Geschäftsmann beschreiben, der nach einem Arbeitstag mit einigen Freunden in einem Restaurant essen geht. Er bezahlt die gesamten Speisen und Getränke seiner Freunde. Kurze Zeit später setzt er diese Rechnung als "Spesenrechnung" ab. Ohne Zweifel hat sich dieser Geschäftsmann "kriminell" verhalten. Er hat eine strafbare Handlung in Form von Steuerhinterziehung begangen. Er wird jedoch von seinen Freunden nicht als "Krimineller" sondern als cleverer Geschäftsmann angesehen. Folglich ist die Tat, ob sie als kriminelles Delikt angesehen wird von der Handlung selbst abhängig beziehungsweise der Bewertung der Gesellschaft und ob der Täter als "kriminell" anschließend stigmatisiert wird.

Gehen wir von einer Tat und einem sozialen sowie institutionellen Umfeld (Schule, Jugendamt, Polizei) aus, welche den Betroffenen als "kriminell" stigmatisiert, dann können wir uns eventuell auch durch eigene Erfahrungen mit uns anhaftenden Stigmata vorstellen, welche reservierte Haltung, Mißtrauen oder betonte Fürsorge durch die Gesellschaft in dem Betroffenen eine Distanz zur Umwelt erweckt. Der Stigmatisierte hat somit auch kaum eine Chance, wie ein normaler Mensch behandelt zu werden.

Das Ergebnis der Stigmatisierung kann sein, daß sich der Betroffene gegen sein Stigma zu wehren versucht, wozu er jedoch oftmals keine Chance hat. Wie soll er seinem Umfeld beweisen, daß er nicht der "Kriminelle" ist?

Eine weitere Möglichkeit auf das Stigma zu reagieren ist, -so wie es auch häufig praktiziert wird-, daß der Betroffene resigniert und sich ein Umfeld sucht, welches mit dem gleichen Stigma behaftet ist. Er muß sich somit nicht mehr mit der "anderen" Gesellschaft auseinandersetzen. Häufig hat das auch zur Folge, daß sich die Betroffenen mit ihrem Stigma identifizieren und vom Gelegenheitstäter zum Gewohnheitstäter werden.

Der zweite Gedanke beinhaltet nicht nur die Identifizierung mit dem Stigma sondern betont auch den Aufschaukelungsprozeß zwischen den Betroffenen, der Gesellschaft und ihren Institutionen, indem diese "Kontrollinstanzen" (Jugendamt, Polizei, Gericht) schon allein durch ihr Tätigwerden stigmatisiert.

Wie dieser Aufwiegelungsprozeß praktisch zu verstehen ist, zeigt uns das "Teufelskreismodell" von dem Kriminologen Stephan Quensel.

Er geht davon aus, daß ein Jugendlicher ein Delikt begeht um damit ein Problem zu kompensieren. Wird der Jugendliche bei der Tat nicht erwischt und das Problem wird gelöst, zum Beispiel durch die Schule, Freunde oder Eltern, dann wird er nicht mehr auffällig. Gelingt eine Problemlösung nicht und der Jugendliche erfährt eine Bestätigung durch das Delikt, zum Beispiel in Form einer Anerkennung durch Freunde, gelangt er in die zweite Phase bei der im positiven Fall sein Problem gelöst wird oder im negativen Fall er bei einem erneuten Delikt erwischt und bestraft wird (zum Beispiel in der Schule durch Nachsitzen). In der dritten Phase vertieft sich sein Problem im negativen Fall, und er sucht sich ein soziales Umfeld, indem sein Delikt eine Anerkennung findet. Wenn er jetzt in der vierten Phase erwischt wird, ist er offiziell bekannt und bestätigt damit, daß die vorherigen Strafen nutzlos waren. Es kommt zu einem Aufschaukelungsprozeß zwischen dem Verhalten des Deliquenten, also dem abweichenden Verhalten und den Strafen des "Sanktionsapparates", also des Gerichts. In der fünften Phase ist der Jugendliche offiziell als Deliquenter beschrieben und somit auch in den Akten und Registern als solcher aufgeführt. Der Schritt zur Identifizierung mit diesem Stigma ist nicht sehr groß, und er nimmt die Rolle des "Kriminellen" an. Die sechste Phase zeichnet sich dadurch aus, daß der Betroffene noch weiter in seine "kriminelle Karriere" hineingezwängt wird. Auf der einen Seite begrenzt die Gesellschaft die Chancen auf eine "normale" Entwicklung der Persönlichkeit, indem sie ihn zum Beispiel den Einstieg ins Berufsleben erschwert. Welche Firma möchte schon einen "Kriminellen" als Lehrling? Auf der anderen Seite versucht der Betroffene, immer häufiger seinem Stigma gerecht zu werden und verfestigt seine "Problemlösestrategie", indem er zum Beispiel Konflikte in Form einer körperlichen Auseinandersetzung löst. Wird der Jugendliche nun bei einer Tat erwischt und in die Strafanstalt eingewiesen, befindet er sich in der siebten Phase. Die Strafanstalt gibt ihn dann die Gelegenheit, seine Problemlösestrategien noch weiter auszubauen. Zum Beispiel in der Form, daß der Gewalttätige gleich mehrere Personen bedroht und diese keine Fluchtmöglichkeiten haben, oder er andere Techniken erlernt, ein Delikt noch geschickter durchzuführen, ohne dabei erwischt zu werden. In der achten Phase, nachdem der Jugendliche aus der Strafanstalt entlassen wird, ist sein Stigma als Vorbestrafter nun endgültig festgelegt. Welche Chancen er auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt hat, kann sich jeder von uns selbst ausrechnen.

Im Ergebnis lautet die Theorie von Quensel wie folgt: "Der Kriminalisierungsprozeß schreitet je eher voran, desto stärker die Sozialisationsbelastungen und Sozialisationsdefizite sind, das heißt, daß Unterschichtzugehörigkeit, Familiendesintegration, Schulversagen und so weiter eine Rolle spielen;

desto früher der Prozeß der kriminellen Karriere beginnt,

desto später das Problem des Jugendlichen erkannt wurde und

desto fehlgeschlagener die Reaktionen auf den Aktualkonflikt war,

desto stärker sekundäre Erfolgsmotivationen, also Verstärker, zu einer Verfestigung der delequenten Techniken geführt haben und

desto verständnisloser die Sanktionen der Instanzen sozialer Kontrolle ausgefallen sind." (Kerscher 1977, 59, 60)
 
 
 
 
 
 
 
 

3.7 Der Stigmatisierungsprozeß und das "Teufelskreismodell" angewandt auf den "Fall Nico"
 
 

Erinnern wir uns nochmals an die Ausgangssituation des "Teufelskreismodells". Quensel geht davon aus, daß der Jugendliche ein Problem hat, welches er nicht selbst lösen kann. Der Jugendliche versucht dann, sein Problem durch ein Delikt zu lösen beziehungsweise zu kompensieren. Wir können auch von einer Ersatzbefriedigung sprechen, bei der der Abweichende sich ablenkt und sein ursprüngliches Problem verdrängt, um eine Zufriedenheit in der Ausführung des Deliktes oder an der zu unrecht erworbenen Sache zu finden versucht. Dadurch bedingt, daß Nico sogenannte Botengänge für den Anführer der Clique erledigte und sich somit unterordnete nur um akzeptiert zu werden und eine strafbare Handlung in Form eines Diebstahls begang, können wir davon ausgehen, daß er es schwer hatte, auf einem normalen Weg Freunde zu finden. Das er dies selbst als Problem empfand, wenn auch nicht unbedingt bewußt und er es auch als solches sah, zeigt uns sein untergeordnetes Verhalten gegenüber des Anführers. Sein Problem erzeugte solche Motivationen in ihm, daß er es in Kauf nahm, eine strafbare Handlung auszuführen. An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, daß Nico auch ein anderes Problem haben könnte, zum Beispiel in der Form, daß er seine Kindheit beziehungsweise die nur unzureichende Mutter-Kindbeziehung als ein solches empfindet. Ich könnte in dem "Fall Nico" noch viele solcher Beispiele aufzählen. Bleiben wir jedoch bei der Annahme, daß Nicos Problem ist, Freunde kennenzulernen und er das zu kompensieren versucht mit einem Delikt, dann ist ihm das geglückt. Denn schon durch seinen ersten Diebstahl, auch wenn dieser mißglückte, erlangte er eine Anerkennung in der Clique. Um diese Anerkennung aufrecht zu erhalten, mußte er weitere Delikte begehen. Somit verfestigte sich sein ursprüngliches Problem, und er griff immer wieder auf seine bewährte "Problemlösestrategie" zurück. Schon bei seinem ersten Delikt, dem mißglückten Diebstahl des Fotoapparates, wurde er mit dem Stigmatisierungsprozeß der Gesellschaft konfrontiert, nachdem der Ladenbesitzer den anderen Bewohnern der Straße über diese Tat berichtete. Die Frage, welche Chance beziehungsweise welche Möglichkeiten ein zu der Zeit elf- jähriger Junge hat, sich gegen die Stigmatisierung zu wehren können wir mit einem Satz beantworten: Keine, denn auf der einen Seite ist er bedingt durch sein Alter zu unerfahren, um mit dieser Stigmatisierung umgehen zu können und dem Stigma entgegen zu wirken, und auf der anderen Seite ist er schon im Vorfeld eher mit negativen Vorurteilen behaftet, bedingt durch die Scheidung seiner Eltern, die Trunksucht des Vaters usw., da die Gesellschaft häufig das Verhalten der Eltern auf das Kind projektiert.

Der im "Teufelskreis" beschriebene Aufschaukelungsprozeß zwischen den Sanktionen und dem Verhalten (stehlen) fand auch bei Nico statt. Wie unter dem Kapitel 2.1 beschrieben, konnten die institutionellen Sanktionen Nicos Verhalten nicht in der Richtung beeinflussen, daß er nicht mehr auffällig wurde. Ganz im Gegenteil. Auch in unserem "Fall" fand ein Aufschaukelungsprozeß statt, der erst einmal sein Ende mit dem Beginn der Haftstrafe fand. Ob Nico seine "Problemlösestrategie" in der Jugendstrafanstalt verfestigt und welche Folgeerscheinungen durch seine Vorstrafe erlebt beziehungsweise welche Zukunftschancen er auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt hat, wird uns die Zukunft zeigen. Bleibt jedoch die Wohnungs- und Arbeitsmarktsituation so schlecht wie in heutiger Zeit, wird Nico kaum eine Chance haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren.
 
 
 
 

3.8 Die sozialisationstheoretische Sichtweise

- welche prägnannte Rolle bei der Entstehung von Kriminalität wird der Schichtzugehörigkeit zugeschrieben?
 
 

Der schichtspezifische Ansatz in seiner ursprünglichen Fassung teilt unsere Gesellschaft in drei verschiedene Schichten auf: die Unterschicht, die Mittelschicht und die Oberschicht.

Der Unterschicht werden die gering qualifizierten, körperlich arbeitenden Berufsgruppen wie zum Beispiel Industriearbeiter, Bauarbeiter etc. zugeordnet; dabei ausgeschlossen wird die Gruppe der untersten Unterschicht wie zum Beispiel Gelegenheitsarbeiter, Obdachlose etc., da diese einer gesonderten Untersuchung bedürfen. Charakteristisch für die Unterschicht ist die Minderpreviligierung, die jeder Einzelne dieser Gruppe in Form von Abhängigkeit und Unsicherheit, am Fehlen von Prestige, Komfort und Sicherheit spürt. Besonders in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation kristallisieren sich Merkmale der Unsicherheit in Form von Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit und kollektiver Chancenungleichheit heraus. Die Arbeitsplätze dieser Schicht sind vorwiegend monoton und durch ständig sich wiederholende Arbeitsprozesse gekennzeichnet. Im Vordergrund steht die körperliche Tätigkeit, die jedoch auch hohe psychische Belastungen durch Schicht-, Akkord- und Fließbandarbeit verursacht. Die Kommunikation während der Arbeit ist gering, da die Tätigkeit häufig an Maschinen oder Gegenständen verrichtet wird und der Arbeiter selbst überwiegend nur als Befehlsempfänger innerhalb einer Industriehierarchie reagiert. Somit wird sein Handeln von anderen beziehungsweise auch von der Art und Geschwindigkeit der Maschine bestimmt. Dies hat eine sehr starke Unterdrückung seiner Persönlichkeit und eine Einschränkung seiner Autonomie zur Folge. Die geringe und nur unzureichende Kommunikation und der Autonomieverlust während der Arbeit wirkt sich auch auf den innerfamiliären Bereich aus. Bedingt dadurch, daß der Arbeiter keine Chance hat, Kommunikationstechniken während seiner Arbeit zu erlernen, kommt es auch häufig dazu, daß er innerhalb seiner Familie Konflikte nicht aufarbeiten kann, da er nicht im Stande ist, dies zu verbalisieren. Die Folge dieser Kommunikationsschwierigkeiten und des Autonomieverlustes am Arbeitsplatz sind oft strafende Erziehungstechniken.

"Je stereotypisierter, monotoner und routinierter die Berufsarbeit der Väter ist, desto höher ist auch die Strafbereitschaft und desto geringer ist die Unterstützung. Je geringer die Möglichkeit, Dominanz-, Kontroll- und Befehlsbedürfnisse am Arbeitsplatz ausagieren zu können, desto eher wird die Familie zum Ort des Ausagieren dieser Wünsche." (Kerscher 1977, 25)

Aus den Frustrationen der Arbeitswelt entsteht also ein aggressives Verhalten im innerfamiliären Bereich, das sich auch durch Willkürverhalten, Inkonsistenz und mangelde Impulskontrolle innerhalb der Erziehung eines Kindes äußern kann. Diese Charakteristika wiederum sind prägnant für eine fehlende Erziehungsstrategie beziehungsweise dem Fehlen eines Erziehungsstils. Somit ist die Erziehung situativ orientiert und es kann schon mal vorkommen, daß die Hand "ausrutscht", da der Vater seine Dominanz-, Kontroll- und Befehlsbedürfnisse an seinem Kind abreagiert. Dem Kind sind dadurch auch Einsichtsmöglichkeiten in den Sinn der Strafe (wenn es denn dies geben sollte), versperrt. "...Körperstrafe wird als Abfuhr von Rache ausagiert. Nicht die Absicht des Kindes, sondern die unmittelbaren Handlungsfolgen unerwünschten Verhaltens werden sanktioniert. Demgemäß setzt die Strafe erst in einem späten Stadium der unerwünschten Handlungssequenz des Kindes oder gar erst nach der Tat ein." (Kerscher 1977, 26) Folglich wird das Kind sich immer an die Seite des Elternteils hingezogen fühlen, wo es einschätzen kann, welche Strafe es bei einer bestimmten Handlung erwarten kann beziehungsweise hauptsächlich mit dem Elternteil in Kontakt treten, welcher weniger situativ handelt und geringer bestraft. Das Kind hat jedoch nicht immer die Chance, zwischen zwei Elternteile wählen zu können, entweder weil ein Elternteil alleinerziehend ist oder ein Elternteil den anderen in seiner Autonomie und Erziehung unterdrückt, gleichsam wie er oder sie die Unterdrückung am Arbeitsplatz erfährt, oder weil beide Elternteile gleichsam situativ orientiert erziehen und das Kind eben die Eltern und dessen Strafe nicht verstehen kann. Das Ergebnis einer situativ orientierten und körperlich strafenden Erziehung ist eine nur unzureichend entwickelte Persönlichkeit des Kindes beziehungsweise eine Ich-Schwäche. Diese äußert sich wiederum durch Unselbständigkeit, Angst und Feindseligkeit des Kindes. Die Normen und Werte der Eltern werden im extremen Fall nur durch Angst vor Strafe übernommen. Sind aber insbesondere die Eltern oder andere "Kontrollinstanzen" außer Sichtweite und das Kind muß sich nicht aus Angst vor Strafe konform verhalten, dann entsteht ein abweichendes Verhalten, das sich auch in Form von Kriminalität äußern kann. Häufig verhält sich dann das Kind aggressiv gegenüber seinen mitmenschlichen Umfeld und wird durch Schlägereien auffällig oder es äußert seine Aggressivität, indem es materielle Dinge beschädigt oder Zerstört. "...diese offene, antisoziale und unkontrolliert körperliche Aggressivität wird besonders in Situationen gezeigt, in denen mangels Anwesenheit von Kontrollpersonen keine Strafen zu erwarten sind. Bei Anwesenheit von Autoritätspersonen, insbesondere der Eltern, werden die aggressiven Tendenzen des Kindes und Jugendlichen jedoch unterdrückt. Das heißt, daß das moralische Bewußtsein extern, also außerhalb des eigenen Gewissens orientiert ist." (Caesar in Kerscher 1977, 29)

An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, daß Kriminalität nicht nur spezifisch der Unterschicht zugeordnet werden kann. Ganz im Gegenteil. Der schichtspezifische Ansatz beschreibt auch die Entstehung der Kriminalität in der unteren und oberen Mittelschicht. Da der "Fall" Nico sich jedoch nur auf die Unterschicht bezieht, sei diese hier auch nur beschrieben.
 
 
 
 
 
 

3.9 Nicos Unterschichtzugehörigkeit im Bezug auf sein abweichendes Verhalten
 
 

Der zuvor beschriebene schichtspezifische Ansatz beinhaltet sowohl den beruflichen Bereich der Eltern, die damit verbundenen Autonomie-, und Kommunikationsschwierigkeiten bezogen auf die innerfamiliären Konflikte, als auch den Bereich Erziehung und die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes.

Erinnern wir uns noch einmal an den "Fall" Nico und die berufliche Situation der Eltern. Als Nico geboren wurde, arbeitete der Vater als Kraftfahrer in einer Möbelfirma. Das heißt, er ist nach der Einteilung des schichtspezifischen Ansatzes in die Unterschicht einzuordnen, da seine Tätigkeit aus vorwiegend gering qualifizierter körperlicher Arbeit besteht. Er arbeitet zwar nicht an einer geräuschstarken Maschine, die jegliche Kommunikation unmöglich macht, aber wer von uns schon mal schwere körperliche Arbeit verrichtet hat weiß, daß während dieser Tätigkeit eine Kommunikation eher als belastend empfunden wird, als daß sie zur Förderung der eigenen Verbalisationstechnik beiträgt.

Wir können also davon ausgehen, daß Herr Erdman, wie im schichtspezifischen Ansatz beschrieben, den beruflichen Kommunikationsmöglichkeiten der Unterschicht angehört. Auch das zweite Kriterium, nämlich die Monotonie der Tätigkeit trifft auf die Arbeit des Herrn Erdman zu. Ob er einen Schreibtisch hinauf in den vierten Stock oder ob er einen Schrank bis in den ersten Stock eines Hauses liefern mußte, es war jeden Tag die gleiche, monotone, körperlich schwere Arbeit.

Auch verlangt diese Arbeit dem Herrn Erdman keine Autonomie ab. Ganz im Gegenteil. Er ist der Befehlsempfänger, der die Arbeit so ökonomisch wie möglich auszuführen hat, -ohne Entscheidungsmöglichkeit. Welche Auswirkungen diese Arbeitsbedingungen auf den innerfamiliären Bereich hatten, kamen in den Umgangsformen von Herrn Erdman zu seinem Sohn und seiner Frau zum Ausdruck. Die Autonomie, die er während seiner Arbeit nicht ausleben konnte, praktizierte er zu Hause, in dem er Frau und Sohn anschrie und prügelte. Die Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der Familie und der Autoritätsanspruch des Herrn Erdman ließen immer wieder neue Probleme zu, die er entweder durch Anschreien oder durch Flucht in den Alkohol "löste".

Auch Frau Erdman gehörte der Unterschicht an. So wie ihr Mann, mußte sie gering qualifizierte Arbeit in der Kantine verrichten, wo die Kommunikationsbedingungen nur unzureichend waren. Auch sie war nur Befehlsempfänger während ihrer Tätigkeit und konnte Autonomieanspruch nicht ausleben. Zu Hause hat dann Nico ihre Autonomie, in Form eines autoritären Erziehungsstils, zu spüren bekommen. Aber nicht nur von ihr, sondern auch von seinem Vater in Form einer inkonsequenten, jedoch stark autoritären Erziehung wie im "Fall" Nico beschrieben, so daß er nicht wußte, welche Handlung beziehungsweise welches Verhalten, insbesondere bei seinem Vater, Zorn auslöste. Diese inkonsequente Erziehung hatte bei Nico zur Folge, daß er wie im schichtspezifischen Ansatz beschrieben, eine Ich-Persönlichkeitsschwäche entwickelte.

Anmerkung: Bis zur Entstehung der Ich-Schwäche von Nico gehe ich mit dem Schichtspezifischen Ansatz noch konform. Wie soll jedoch Nicos Diebstahl erklärt werden? Die sozialisationstheoretische Sichtweise geht davon aus, daß das moralische Bewußtsein extern, also außerhalb des eigenen Gewissens orientiert ist und abweichendes Verhalten besonders in Situationen gezeigt wird, wenn durch eine Kontrollperson keine Strafen zu erwarten sind. Nico hat aber versucht, den Fotoapparat zu stehlen, trotzdem eine Kontrollperson, nämlich der Geschäftsinhaber anwesend war. Hätte Nico nicht den Fotoapparat stehlen müssen, wenn keiner im Laden gewesen wären, also durch einen Einbruchdiebstahl? Desweiteren beschreibt der schichtspezifische Ansatz die Entstehung von Kriminalität vorwiegend nur in Form von körperlicher Gewalt beziehungsweise, daß das Kind tendenziell durch ein aggressives Verhalten auffällig wird. Warum ist Nico nicht in dieser Form "kriminell" geworden? An Hand dieser unbeantworteten Fragen können wir erkennen, daß der Ansatz zwar die Entstehung körperlicher Gewalt erklären kann, jedoch generell zur Frage "Wie entsteht Jugendkriminalität?" nur wenig beiträgt. Weitere unbeantwortete Fragen können wie folgt lauten: Wird die Kommunikationstechnik und -fähigkeit nur während der Arbeit erlernt? Haben alle gering qualifizierten körperlich arbeitenden Menschen Kommunikationsschwierigkeiten?

Ich möchte mit diesen unbeantworteten Fragen nicht den gesamten schichtspezifischen Ansatz in Frage stellen, insbesondere nicht den Kommunikations- und Autonomieunterschied zwischen Unter-, Mittel- und Oberschicht. Ganz im Gegenteil. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß der Ansatz große Lücken aufweist. Meine persönliche Meinung über den Ansatz ist, daß es wichtig ist, für die Erklärung der Jugendkriminalität darauf hinzuweisen, daß es Unterschiede zwischen den verschiedenen Schichten gibt, insbesondere den Chancenunterschied, bezogen auf die berufliche Qualifikation und die damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten.

 
 
 
 
 
 

4.1 Die modifizierte Form der katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit als Präventivmaßnahme und Methode der Sozialarbeit/Sozialpädagogik in Bezug auf die Jugendsozialarbeit
 
 

Nachdem ich im dritten Kapitel an Hand der vier bekanntesten Kriminalitätstheorien, der Anomietheorie, der psychoanalytischen Theorie, des Teufelskreismodells und des schichtspezifischen Ansatzes die Entstehung von Jugendkriminaltät am "Fall" Nico erklärt habe, möchte ich im vierten Kapitel die Methode der katalytischen Gemeinwesenarbeit (vgl. Karas,F./Hintze,W. 1989) vorstellen und soweit modifizieren, daß sie eine neue Form der Jugendarbeit bildet.

Unter 4.2 werde ich die Streetworksozialarbeit in ihrer ursprünglichen Form vorstellen und sie mit "meiner" modifizierten katalytischen Gemeinwesenarbeit ergänzen. Ich hoffe, damit eine Basis, insbesondere der Prävention der Jugendkriminalität, auf der Grundlage der Kriminalitätstheorien, der Erfahrungen in der o.g. Gemeinwesenarbeit und der Streetworksozialarbeit zu schaffen. Die gesellschaftstheoretischen Grundannahmen der katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit lauten wie folgt: Die Prozesse des gesellschaftlichen Wandels haben uns in den letzten Jahren und werden uns voraussichtlich auch in der nächsten Zukunft vor Probleme und Aufgaben stellen, die mit den herkömmlichen Mitteln der Politik im Allgemeinen, als auch der Sozialpolitik im Besonderen, als nicht mehr lösbar erscheinen.

Im Bezug auf die Jugendsozialarbeit sind Probleme zu benennen, wie hoher Ausländeranteil, hoher Leistungsdruck in der Schule, wenige Flächen und Gebäude bzw. Einrichtungen, die von Jugendlichen genutzt werden können, und eine große Orientierungslosigkeit unter den Jugendlichen, bezogen auf ihre Zukunft, insbesondere ihrer beruflichen und familiären Zukunft. Die Orientierungslosigkeit kann man an Hand der hohen Arbeitslosenzahlen unter den Jugendlichen bzw. Heranwachsenden und der hohen Scheidungsquote in unserer Gesellschaft erkennen. Die Vergangenheit hat uns gezeigt, daß auch die sogenannten Experten, wie Psychologen, Pädagogen oder Erzieher die Aufgaben und Probleme der heutigen Gesellschaft nicht lösen können, da sie eher eindimensional als interdisziplinär arbeiten (siehe hierzu auch unter Kapitel 3 die vorwiegend eindimensional beschriebenen Kriminalitätstheorien). Als zusätzlich erschwerend für den Laien, also der eigentlichen Zielgruppe, nämlich der Eltern, stellt sich der Fachtermini, also die fachspezifische Ausdrucksweise der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen dar. Es haben sich somit Wissenschaft und Politik aus dem Verständnis der Erzieher außerhalb der Institutionen, also Eltern, Großeltern, Verwandte, Freunde usw. entzogen. Im Ergebnis heißt das, daß die Kommunikation zwischen der Basis, also Jugendlichen, Eltern usw., und der Sozialpolitik, als auch der Erziehungswissenschaft, kaum noch Bestand hat.

Auf der einen Seite sind Politiker, aber auch z.B. Erziehungswissenschaftler, nicht bereit, mit den Jugendlichen zusammenzuarbeiten, und auf der anderen Seite sind insbesondere die Eltern überfordert, die "schlauen" Bücher der Erziehungswissenschaftler, Psychologen und Pädagogen zu lesen und auch zu verstehen. Ich möchte den Erziehungswissenschaftlern nicht unterstellen, daß sie überhaupt keinen Kontakt zu den Eltern und den Jugendlichen haben, jedoch sei hier erwähnt, daß viele Wissenschaftler in ihrer theoretischen Arbeit und Denkweise gefangen sind, so daß der Kontakt zu den Eltern und Jugendlichen, also ihrer eigentlichen Zielgruppe, über die sie schreiben, fehlt. Deshalb ist es wichtig, für die nicht professionellen Erzieher, als auch für die Jugendlichen, die Gestaltung des öffentlichen und privaten Lebens selbst zu gestalten bzw. die Initiative zu ergreifen, zu planen, formulieren und aktiv zu gestalten, was sie für richtig halten und das abzulehnen, was sie nicht für sinnvoll halten. Das kann aber nur erfolgreich geschehen, wenn die zum Teil entmutigten und passiven Menschen auf den unterschiedlichen Ebenen des Handelns die vorhandenen, aber zum Teil vernachlässigten Aktivität- und Selbsthilfepotentiale aktivieren und wirksam werden lassen. In der katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit soll also der Sozialarbeiter und Sozialpädagoge die Menschen aktivieren, so daß sie in der Lage sind, die sichtbaren Verhältnisse, also schlechte Wohnqualität, Vandalismus der Jugendlichen, wenig Möglichkeit die Freizeit aktiv und sinnvoll zu gestalten, als auch die unsichtbaren Verhältnisse, also das soziale Klima der Jugendlichen untereinander, aber auch in Bezug auf Eltern, Schule usw. zu verändern helfen, ohne dabei direkt aktiv einzugreifen.

Als ein Beispiel für die nondirektive Arbeit der Sozialpädagogen möchte ich ein Erlebnis meines Praktikums innerhalb eines Jugendclubs beschreiben, welches ich vor ca einem Jahr absolvierte. Nachdem ich die ersten 10 Tage Informationen über die Interessen der Jugendlichen gesammelt habe, habe ich mit ihnen zusammen eine Außenaktivität arrangiert und durchgeführt. Ein großer Teil der Jugendlichen zeigte ein Interesse an dem Besprühen von S-Bahn- und U-Bahnwaggons. Es stellte sich in mehreren Gesprächen heraus, daß den Jugendlichen die Illegalität ihrer Aktionen bewußt war, aber sie keine andere Möglichkeit sahen, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Es war also meine Aufgabe, mit den Jugendlichen zusammen eine Lösung zu finden, wie sie auf der einen Seite ihren Wunsch nach Graffiti erfüllen können und auf der anderen Seite, wie sie aus der Illegalität herauskommen können. Gleichsam, wie in der katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit beschrieben, bildeten wir eine Aktionsgruppe, mit dem Ziel, den Interessen der Jugendlichen als auch den Interessen des Bahnunternehmens gerecht zu werden. Das Ergebnis der Aktionsgruppe lautete: "Wir wollen einen ausrangierten Waggon von der Bahn gestellt bekommen, den wir zusammen mit Graffiti besprühen können." Etwa einen Monat später führten wir die Aktion durch. Leider mußten wir die Aktion noch kurzfristig durch ein Mißgeschick der Bahn umplanen, trotzdem war die Aktion ein Erfolg. Dadurch, daß diese Aktion von einer schon bestehenden Gruppe, also den Jugendlichen aus dem Jugendclub geplant und durchgeführt wurde, mußte ich nicht, wie die katalytisch aktivierende Gemeinwesenarbeit es vorsieht, die einzelnen Jugendlichen auf Probleme, Veränderungsmöglichkeiten usw. ansprechen, um sie dann an einem gemeinsamen Ort zusammenzubringen.

Weitere Grund- und Arbeitsprinzipien der o.g. Gemeinwesenarbeit sind: Der Mensch bzw. in unseren Beispiel der Jugendliche, wird nicht nur als selbstverantwortliches Individium, sondern auch aus seinen übergreifenden Zusammenhängen gesehen, wie zum Beispiel Familie, Wohngegend, politische, ökonomische und kommunikative Bedingungen. Daher ist es für den Sozialarbeiter und Sozialpädagogen von großer Bedeutung, daß er Verbindungsleute hat, die, wenn sie nicht beraten, zumindest an die richtigen Stellen im Gemeinwesen weiterverweisen. Es soll also auch ein Netz von freiwilligen, ehrenamtlichen und nebenamtlichen Helfern organisiert werden. Die Bewohner des Gemeinwesens können natürlich nur an der Planung ihrer Zukunft mitwirken, wenn sie die notwendigen Mitbestimmungsmöglichkeiten zur Verfügung haben und diese auch nutzen. Deshalb kann es gerade auch zum Beginn der Arbeit wichtig sein, eben diese Mitbestimmungsmöglichkeiten im Gemeinwesen mit aufzubauen. Um diese Ziele durchsetzen zu können, müssen sich möglichst viele Bewohner des Gemeinwesens aktiv beteiligen. Es bietet sich an, Grundwerte zu thematisieren, auf deren Basis sich möglichst viele Bewohner treffen können. Ein wichtiges Arbeitsprinzip dieser Gemeinwesenarbeit ist, daß der Ansatz immer bei den Betroffenen gemacht wird, das heißt, es findet eine Selbstbestimmung der Ziele und Aktionen statt. Dabei sollen kurzfristige Ziele möglichst schnell realisiert werden und langfristig geplante Ziele nach vorn offen gehalten werden. Desweiteren arbeitet der Sozialarbeiter und Sozialpädagoge mit peer-groups (peer meint in diesem Zusammenhang gemeinsame Interessen), welche im Idealfall konfliktbereit und konfliktfähig sind, ohne unnötig Konflikte zu erzeugen.

Die katalytisch aktivierende Gemeinwesenarbeit in ihrem ursprünglichen Sinn verlangt eine ganzheitliche Sicht des Gemeinwesenarbeiters bzw., daß er sich nicht auf die Stelle einer bestimmten Gruppe stellt. Ich bin der Meinung, daß an dieser Stelle eine entscheidende Veränderung zu Gunsten der von mir angestrebten Jugendsozialarbeit eintreten muß. In dem von mir entwickelten Konzept soll nicht nur, sondern muß der Sozialarbeiter und Sozialpädagoge auf der Seite der Jugendlichen stehen, um eine Basis zu schaffen, damit er von den Jugendlichen akzeptiert wird. Aber auch er muß bereit sein, insbesondere zu Beginn seiner Arbeit, die Jugendlichen so zu akzeptieren, wie er sie vorfindet. Wie wichtig diese gegenseitige Akzeptanz ist, aber auch, wie schwer es ist, sie gemeinsam zu erlangen, möchte ich an Hand des "Falles" Nico beschreiben.

Die einzige Person, die er, sowohl in seiner Kindheit, als auch in seinem weiteren Leben zu akzeptieren gelernt hat, zu der er auch eine gute emotionale Bindung aufbauen konnte, war seine Tagesmutter Frau Kerscher. Selbst bei gleichaltrigen, also seiner peer-group, hatte er große Schwierigkeiten, Anerkennung zu finden und beging deshalb die Diebstähle. Es stellt sich also die Frage, wie soll ein Jugendlicher bzw. jetzt ein junger Erwachsener, eine Bindung mit einem erwachsenen Menschen bzw. dem Sozialarbeiter eingehen und vertrauen gewinnen, wenn er auf der einen Seite nicht gelernt hat, Freunde auf "normalen" Weg kennenzulernen, und er, wie unter Kapitel 3.6 das "Teufelskreismodell" beschrieben, schon negative Erfahrungen mit Kontrollinstanzen, also auch dem Sozialarbeiter auf dem Jugendamt gemacht hat. Aus dieser Frage heraus ergibt sich für den Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, bzw. in meiner modifizierten katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit für den Gemeinwesenstreetworker der Arbeitsansatzpunkt. Die Ausgangsbasis für die Jugendsozialarbeit muß heißen, ich nehme den Jugendlichen so an, wie er ist, ich hole ihn dort ab, wo er sich befindet, und wir entwickeln gemeinsam Strategien, mit dem Ziel, eine Zufriedenheit, sowohl für die Gesellschaft, als auch für den Jugendlichen zu schaffen.

Bezogen auf den "Fall" Nico heißt das, daß der Gemeinwesenstreetworker zusammen mit Nico eine peer-group aufsuchen müßte, wo er dann auch später akzeptiert wird, ohne das er sich abweichend verhalten muß. Dabei soll der Gemeinwesenstreetworker keine direktive Haltung einnehmen, sondern ihn nur soweit motivieren, stützen, helfen, begleiten, wie es für den Einzelnen notwendig ist. Mit anderen Worten: Er soll soviel wie notwendig - so wenig wie möglich eingreifen.

Um diese Kontakte knüpfen zu können, ist es von großer Bedeutung, daß der Gemeinwesen-streetworker die informellen Führer des Gemeinwesens kennt und von ihnen akzeptiert wird. Auch wenn er die Handlungen, insbesondere in Form von abweichenden Verhalten, für sich selbst nicht akzeptieren kann, so darf er, zumindest zu Beginn seiner Arbeit, dieses Verhalten nicht moralisieren. Denn den "erhobenen Zeigefinger" von den erwachsenen Sozialisationsagenten kennen die Jugendlichen zur genüge, und welcher Aufschaukelungsprozeß durch Moralisieren, Stigmatisieren und Sanktionieren entstehen kann, sahen wir in dem "Teufelskreismodell". Das soll aber nicht heißen, daß er sich auf gleiche Stufe wie die Jugendlichen stellt und ihr abweichendes Verhalten motiviert, sondern sie an seinem Leben und Verhalten erkennen, daß auch ein Mensch, der sich konform verhält, eine Zufriedenheit erfahren kann. Der Gemeinwesenstreetworker soll auch mit seinem Wissen den Jugendlichen hilfreich zur Verfügung stehen, ohne seine Hilfe aufzwingen zu müssen.

Diese Form der katalytisch aktivierenden Gemeinwesenarbeit, wie sie oben beschrieben ist, ist jedoch nicht als idealtypisch anzusehen, sondern als ein langandauernder Prozeß zwischen den Jugendlichen und dem Gemeinwesenstreetworker. Um den Jugendlichen nicht nur in der Gegenwart hilfreich zur Verfügung zu stehen, sondern ihnen auch eine Zukunftsperspektive zu geben, ist es für ihn wichtig, das er die Möglichkeiten seines Gemeinwesens kennt und diese voll ausschöpft. Als Beispiel möchte ich mich wieder auf den "Fall" Nico beziehen, der, wenn es diese Gemeinwesenstreeetwork geben würde, sich eventuell nicht auf Dauer abweichend verhalten würde. Spätestens nachdem Nico nach dem mißglückten Fotoapparatdiebstahl durch den Ladenbesitzer und auch später durch Anwohner der Straße stigmatisiert wurde, hätte der Gemeinwesenstreetworker die Möglichkeit gehabt, mit Nico zusammen neue Verhaltensmuster zu erlernen. Wie schon oben erwähnt. hätten sie gemeinsam Kontakt zu einer Jugendgruppe knüpfen können, wo sich Nico nicht durch abweichendes Verhalten Anerkennung suchen müßte. Um den Stigmatisierungsprozeß entgegenzuwirken, könnte Nico, sofern der Ladenbesitzer sein Einverständnis gibt, durch Hilfsarbeiten oder Gelegenheitsarbeiten sein Stigma verbessern. Im Idealfall hätte das auch zu diesem Ergebnis geführt, daß seine Norm- und Wertevorstellung in der anderen Seite hätte dem Ladenbesitzer sowie den Anwohnern der Straße durch den Gemeinwesen-streetworker aufgezeigt werden können, daß Nico durch ihre Stigmatisierung nur in tieferes Form angehoben werden, daß er selbst erlebt, welche Arbeitsleistung man verrichten muß, um einen Fotoapparat auf einem legitimen Weg zu beschaffen. Dabei ist es für den Sozialpädagogen wichtig, daß er Nico so "beeinflußt", daß Nico den Wert des Fotoapparates auf den Ladenbesitzer bezieht und nicht die Denkweise übernimmt, es ist leichter, einen Fotoapparat zu stehlen, als ihn mit legitimen Mitteln, also auch in Form von selbst erarbeitetem Geld, zu beschaffen. Auf der Unglück stürzt, da dieser Diebstahl ein erstes Notsignal seiner Situation war, welches so ungehört blieb.
 
 
 
 
 
 
 
 

4.2 Die Streetworksozialarbeit, bezogen auf den "Fall Nico"
 
 

Wie schon im vorhergehenden Abschnitt beschrieben, ist der Gemeinwesenstreetworker zum überwiegenden Teil für die Belange des Jugendlichen zuständig. Dadurch ist sein Handlungsfeld auf der Straße, auf Spielplätzen, U-Bahnhöfen, in Discotheken und Kneipen, Spielotheken, eben dort, wo Jugendliche anzutreffen sind. Sein Büro in dem Wohnviertel soll folglich nur zum überwiegenden Teil für die Kontaktaufnahme der verschiedenen Einrichtungen und Institutionen dienen. Von einer Aktenführung über die Jugendlichen soll abgesehen werden, damit er nicht, wie oben erwähnt, den Stigmatisierungsprozeß der Gesellschaft fördert. Das heißt, daß das Büro nur zur Kontaktaufnahme von außen und zur "Weitervermittlung" der Jugendlichen besteht.

Beispiele einer solchen "Weitervermittlung" können sein: Vermittlung an sozialen Institutionen, also z.B. Kontakt- und Beratungsstellen für Jugendliche, oder auch Sozialstationen, Einzelhandelsläden und Firmen. Bisher sind wir immer davon ausgegangen, daß sich die Jugendlichen abweichend verhalten, jedoch bilden diese auffälligen Jugendlichen, bezogen auf ihre peer-group, nur eine verhältnismäßige kleine Gruppe. Insbesondere die Jugendlichen, die sich konform verhalten und eventuell mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen, könnten, wenn sie sich dazu in der Lage fühlten, eine große Bereicherung in der Arbeit der Sozialstationen bilden. Auf der einen Seite könnten sie eine Befriedigung in der Arbeit mit den Menschen, die von der Sozialstation betreut werden finden, und auf der anderen Seite könnten sie mit dem Geld, das sie für ihre Arbeit bekommen, ihre Freizeit sinnvoll gestalten. Der Idealfall könnte so aussehen, daß ein Jugendlicher für einen älteren Menschen zweimal in der Woche einkaufen geht, die Arbeit bezahlt bekommt und sich damit sein Hobby finanziert.

Bezogen auf die Kontaktaufnahme mit Einzelhandelsläden und Firmen, die im Gemeinwesen angesiedelt sind, könnte der Idealfall so aussehen, daß der Jugendliche alleine oder in Zusammenarbeit mit dem Gemeinwesenstreetworker Kontakt zu ihnen aufnimmt und dort vielleicht am Wochenende oder in den Schulferien arbeitet. Dadurch, daß er dieser Firma dann bekannt und schon mit einigen Arbeiten vertraut ist, kann dies bei einer Ausbildungsplatzsuche hilfreich sein. Damit würden auch die im schichtspezifischen Ansatz erwähnten Chancenungleichheiten gegenüber Jugendlichen aus einer höheren Schicht angeglichen werden.

Sowohl die Arbeit in der Sozialstation, als auch die Tätigkeit in anderen Firmen haben zum Ergebnis, daß der Grad der legitimen Mittel steigt, wie sie in der Anomietheorie (3.2) beschrieben sind. Leider können wir aber nicht immer von solch einer idealen Entwicklung ausgehen. Bei vielen Jugendlichen müssen die Ziele der Sozialarbeit viel niedriger angesetzt werden, denn wie soll ein Gemeinwesenstreetworker einen Jugendlichen von der Inanspruchnahme der legitimen Mittel überzeugen, wenn dieser durch illegitime Mittel höhere Ziele erreicht? Konkret heißt das, daß ein Jugendlicher, der durch Handtaschenraub bei älteren Frauen auffällig wird und damit viel Geld "verdient", nur schwer zu überzeugen ist, daß er damit seiner Zukunft schadet. Wie sollen Inhalte des Über-Ichs (wie in der psychoanalytischen Theorie (3.4) beschrieben) verändert oder aufgefüllt werden?

Das Ziel des Gemeinwesenstreetworkers kann hierbei nur sein, den Schaden für die ältere Frau so weit wie möglich zu begrenzen. Das heißt, er muß den Jugendlichen davon überzeugen, daß er sein abweichendes Verhalten in der Form verändert, das der Jugendliche darauf achtet, daß er bei dem Diebstahl die Frau nicht verletzt. Ist dieses Ziel erreicht, können Beide in kleinen Etappen weitere Ziele anstreben. Es muß also ein Prozeß angestrebt werden, bei dem der Jugendliche für die Wahrnehmung seines Verhaltens sensibilisiert wird. Nur so kann dem Aufschaukelungsprozeß zwischen Jugendlichen und Kontrollinstanzen entgegengewirkt werden (siehe Teufelskreismodell 3.6). Der Gemeinwesenstreetworker muß also gleichzeitig unterschiedliche Rollen einnehmen. Er muß die Persönlichkeit des Jugendlichen akzeptieren, wenn auch nicht sein Verhalten, die gesellschaftlichen Interessen vertreten und sich so verhalten, daß er von den Jugendlichen, aber auch daß seine Arbeit von dem jeweiligen Träger seiner Planstelle akzeptiert wird. Desweiteren soll der Gemeinwesenstreetworker zusammen mit dem Jugendlichen die kommunalen Rahmenbedingungen soweit verändern, daß sich alle Bewohner des Gemeinwesens wohl fühlen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei die äußerliche Gestaltung des Wohnbezirks, z.B. in der Form, daß Grünanlagen angelegt werden oder die Jugendlichen Flächen zur Verfügung gestellt bekommen, die sie mit Graffiti besprühen können. Dadurch bekommt jeder Einzelne einen Bezug zu seinem Kiez und fühlt sich integriert. Somit kommt es auch zu weniger Zerstörung auf den Straßen, denn jeder hat an der Gestaltung mitgewirkt. Ein weiterer Erfolg der Integration ist, daß alle Bewohner sich untereinander kennen und somit die typische Anonymität einer Großstadt aufgehoben ist. Im Idealfall können sich die Bewohner untereinander ergänzen. Eine prägnante Rolle sollen hierbei die Jugendlichen einnehmen, damit sie nicht, wie in heutiger Zeit, lustlos "rumhängen" und irgendwelche Dinge "abzocken" (stehlen).

Auch im "Fall" Nico hätte ein Gemeinwesenstreetworker in seine Entwicklung eingreifen können, so daß er sich nicht, oder zumindest nicht so häufig, abweichend verhält. Dadurch, daß der Gemeinwesenstreetworker durch seine Arbeit fest im Sozialgefüge des Wohngebietes eingebettet ist, hätten sich für ihn im "Fall" Nico einige Ansatzpunkte für die Sozialarbeit und Sozialpädagogik ergeben. Voraussetzung dafür ist, daß er Informationen über Personen und Situationen durch Anwohner, Nachbarn und so weiter bekommt. Das auffällige Verhalten der Familie Erdman hätte dazu genügend Anlaß gegeben. Ich möchte hier nur einige Auffälligkeiten und deren Folgen für die Sozialarbeit benennen: Trinken des Vaters - Suchtberatung; Medikamentenabhängigkeit der Mutter -_Suchtberatung; Nicos häufiges Schreien in der Nacht - Aktivierung des Jugendamtes und der Erziehungsberatung; vor Nicos Betreuung durch die Tagesmutter - Erziehungsberatung für die Tagesmutter; der mißglückte Ladendiebstahl Nicos - Gespräch über die inneren und äußeren, also psychologischen und soziologischen Motivationsgründe und deren Veränderung. Das heißt nicht, daß der Gemeinwesenstreetworker all diese genannten Tätigkeiten selbst durchführen soll, sondern daß er auch an die entsprechenden sozialen Institutionen weitervermittelt.

Die Frage der noch unvollständigen Aufzählung kann nun lauten: Hat die Sozialarbeit und Sozialpädagogik in ihrer Funktion als Erziehungsberatung, Suchtberatung und so weiter durch ihre Institutionalisierung versagt bzw. müßte nicht die Sozialarbeit und Sozialpädagogik direkt auf der Straße präsent sein? Diese Frage läßt sich nach meiner Auffassung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik eindeutig mit Ja beantworten. Viele Verhaltensauffälligkeiten der Familie Erdman, insbesondere das abweichende Verhalten Nicos, hätten schon bei ihrer Entstehung verändert werden können oder wären eventuell schon durch die o.g. "anderen" Lebensbedingungen im Gemeinwesen nicht entstanden. Ein entscheidener Fehler der Sozialarbeit und Sozialpädagogik ist meiner Meinung nach die "Komm-Rum-Struktur". Von den Betroffenen wird verlangt, daß sie eine soziale Institution selbst aufsuchen; gerade in heutiger Zeit, wo Orientierungslosigkeit und Zukunftsangst in der Gesellschaft sind, sind viele Menschen damit überfordert. Nach meiner Auffassung müßte sich die Gemeinwesenstreetwork ähnlich wie eine Prostituierte anbieten. Das bedeutet, daß der Sozialarbeiter auf der Straße für die Anwohner im Kiez, innerhalb seiner Arbeitszeit, immer ansprechbar ist, aber daß auch er selbst auf sichtbare Verhältnisse aufmerksam macht und diese mit Hilfe der Betroffenen zu verändern versucht.

Als Beispiel sei hier eine Mutter genannt, welche ihr Kind auf der Straße schlägt. Die Aufgabe des Gemeinwesenstreetworkers ist es, daß er die Mutter auf ihr Verhalten aufmerksam macht und durch Gespräche eine gemeinsame Veränderung herbei führt. Mit anderen Worten, übt er eine Kontrolle in dem Kiez aus, ohne daß er selbst sanktioniert, sondern Lösungsmöglichkeiten gemeinsam erarbeitet. Wie schon oben erwähnt, darf er dabei nie seine eigendliche Zielgruppe, also die Kinder und Jugendlichen, vernachlässigen.
 


 
 

5.1 Zusammenfassung
 
 

Nachdem ich in der Einleitung die einseitige Darstellung der Presse über abweichendes Verhalten in Form von Kriminalität bemängelte, dadurch, daß sie nur über die Tat berichtet und den Deliquenten losgelöst aus seiner Entwicklungsgeschichte und seinem sozialen Umfeld betrachtet, hoffe ich, mit dieser Arbeit einen Beitrag für das ganzheitliche Verstehen einer abweichenden Person, unter Berücksichtigung der bekannten Kriminalitätstheorien, geleistet zu haben.
 
 

Das Ergebnis dieser Arbeit lautet somit wie folgt:
 

Die Prozesse des gesellschaftlichen Wandels, aber auch die Entwicklung jedes einzelnen Jugendlichen, haben sich in den letzten Jahren so verändert (siehe Kurvendarstellung II), daß sie mit der bisher praktizierten Sozialarbeit und Sozialpädagogik als nicht mehr lösbar erscheinen (siehe 3.6, das "Teufelskreismodell", den Aufschaukelungsprozeß zwischen den Kontrollinstanzen und den Jugendlichen). Deshalb muß die Sozialarbeit und Sozialpädagogik neue Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Sowohl Präventionsmaßnahmen als auch neue Umgangsformen mit den Jugendlichen müssen erprobt werden. Dabei darf der Sozialarbeiter und Sozialpädagoge die Jugendlichen nicht als abgesonderte Gruppe, sondern muß sie aus ihren ökonomischen, kommunikativen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen betrachten. Diese Zusammenhänge kann er aber nur verstehen, wenn er sich an den Orten befindet, wo die Jugendlichen sich aufhalten, also vorwiegend auf der Straße, auf U-Bahnhöfen, in Spielotheken usw.. Um im folgenden seiner Tätigkeit die Ziele der Gesellschaft und der Jugendlichen zu verbinden, ist es für alle Beteiligten wichtig, daß sie einen Prozeß der gegenseitigen Akzeptanz in Gang setzen (siehe Kapitel 4.1 und 4.2). Die von mir entwickelte Konzeption des Gemeinwesen-streetworkers soll dabei nicht als die einzigste Methode der Sozialarbeit und Sozialpädagogik im Umgang mit Jugendlichen angesehen werden, sondern vielmehr der Ergänzung der herkömmlichen Jugendsozialarbeit dienen.

Die wichtigsten Ziele des Gemeinwesenstreetworkers in Bezug auf die erwähnten Kriminalitätstheorien möchte ich als Abschluß dieser Arbeit nochmals in Stichpunkten erwähnen.

1. Die Anomietheorie

Zusammen mit den Jugendlichen die Intensität legitimerter Normen verfestigen, z.B. in Form einer relativ gut bezahlten Arbeit. Den Grad der legitimen Möglichkeiten erweitern, z.B. in Form von Hilfe bei der Ausbildungsplatzsuche

2. Die psychoanalytische Kriminalitätstheorie
Eltern bei der Erziehung beratend unterstützen, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung des Urvertrauens des Kindes hinweisen.

3. Das "Teufelskreismodell"
Öffentlichkeitsarbeit leisten, z.B. in Form von Gesprächen mit Anwohnern, aber auch Richtern, und sie auf den Stigmatisierungsprozeß und den damit verbundenen Aufschaukelungsprozeß aufmerksam machen.

4. Der schichtspezifische Ansatz
Angehörige der Unterschicht auf Kommunikationsschwierigkeiten aufmerksam machen und Problemlösungsmöglichkeiten erarbeiten.
 
 
 
 

Anmerkung:
Ich hoffe, daß ich mit dieser Arbeit einen Beitrag für das bessere Verstehen für die Entstehung von Jugendkriminalität geleistet habe. Leider bleiben noch viele Fragen offen, wie z.B.: Warum fühlen sich viele Jugendliche orientierungslos und werden "kriminell"?, oder: Welchen Einfluß auf die Entstehung der Jugendkriminalität hat die immer weiter fortschreitende institutionalisierte Erziehung?, oder: Welchen Einfluß hat die Gesellschaft auf die veränderte Qualität der Kriminalität?
Wenn auch diese Fragen noch unbeantwortet bleiben, möchte ich auf das Buch "Tatort Straße" (siehe Literaturverzeichnis) verweisen, in dem zumindest ansatzweise die Thematik der Fragen beschrieben ist.
 
 
 
 

Literaturverzeichnis
 
 
 
 

Kerscher, I., 1977: 1. Auflage, Sozialwissen-,

schaftliche Kriminalitäts-

theorien.

Weinheim und Basel:

Beltz-Verlag

Steuber, H., 1988: 1. Auflage, Jugendverwahrlosung

und Jugendkriminalität.

Stuttgart:

Ernst Klett-Verlag

Stürzbecher, W, 1992: 1. Auflage, Tatort Straße.

Bergisch-Gladbach:

Gustav-Lübbe-Verlag GmbH

Karas, F./Hintze, W. 1989: Studienbuch Gruppen- und Gemein-

wesenarbeit. Neuwied

Jugenddienst Verlag