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Aufruf zum 8. Bundeskongress Soziale Arbeit
hinzugefügt am 07-01-2012
vom 13. – 15. September 2012 in Hamburg

Politik der Sozialen Arbeit – Politik des Sozialen
Im Selbstverständnis der bisherigen Bundeskongresse Sozialer Arbeit war das „Soziale“
etwas Eigenständiges und Eigensinniges. Von daher erscheint die immer stärker
werdende Tendenz, das Soziale nur noch unter dem Aspekt seiner „Nützlichkeit“ zu
betrachten und es auf diese Weise dem Ă–konomischen zuzuschlagen als Angriff auf das
Selbstverständnis der Sozialen Arbeit.
Auf dem Kongress sollen gleichberechtigt Fachkräfte aus allen Arbeitsfeldern,
WissenschaftlerInnen, AdressatInnen und NutzerInnen sowie Träger und Organisationen
bzw. zuständige politische Akteure zu Worte kommen. Themenstellungen und
Kommunikationsformen sollen so gestaltet werden, dass alle ihre Stimme erheben
können. Grundformen der Begegnungen sollen deshalb die Agora - ursprünglich die
Volksversammlung auf den Marktplatz – und die Arena sein – Kampf-, Streit- und Spielfeld
in einem.
Die folgenden Thesen beziehen deshalb eine streitbare Position statt einer ausgewogenen
und laden damit zu einem Widerstreit ein, der Argumente erhebt und diskursiv prĂĽft.

(1) Das Ă–konomische vom Sozialen her denken
Die Konsequenzen der Ă–konomisierung fĂĽr den Wohlfahrtsstaat sind noch nicht ĂĽberall
klar absehbar, aber Soziale Arbeit hat sich insgesamt mit den Folgen des neoliberalen
Wohlfahrtsstaatsab und -umbaus auseinanderzusetzen. Zentral geht es dabei um die
marktförmige „Vernützlichung“ des Menschen. Seine Unterstützung, Versorgung und
Förderung orientiert sich an Verwertbarkeitskalkülen, die die Umrisse einer Neo-Sozialhygiene erkennen lassen, deren Ziel die umfassende Förderung von selektierender
Konkurrenz auf allen Gebieten ist. Es formiert sich allerdings auch Widerstand gegen
diese Mainstreampolitik – Stichworte dazu sind Economie social oder Solidarische
Ökonomie bzw. „Common Goods“.

(2) In gesellschaftlichen Konflikten Position beziehen
Im Zusammenhang mit der neoliberalen „Vernützlichung“ aller gesellschaftlichen Bereiche
verändert sich auch das Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Kultur sowie die darin
enthaltenen bzw. damit verbundenen Konflikte. So wird zum Beispiel die Tatsache, dass im
Alltag armer Menschen die Nutzung von „Tafeln“ und Sozialläden zu einem
Massenphänomen geworden ist, eher als Ausweis einer positiv konnotierten Entwicklung
zur „Bürgergesellschaft“ thematisiert, da hier viele ehrenamtliche Kräfte benötigt werden.
Unterschlagen wird dabei, dass es hier um den Ersatz von RechtsansprĂĽchen durch
Almosen geht – die Hartz IV-Sätze reichen hinten und vorne nicht. Wir erleben eine
historische Wende, dieses Mal allerdings von der „Arbeiterpolitik“ zurück zur
„Armenpolitik“.

(3) Soziale Rechte verteidigen, Ausgrenzungen kritisieren,
Gemeinsames stärken
Während sich die Profession mit den Folgen der tiefgreifenden Spaltungs- und
Differenzierungsprozesse, der weiteren Versäulung statt Entsäulung und neuen Konzepten
der SozialbĂĽrokratie kritisch auseinander zu setzen hat, ist es Aufgabe der Disziplin ein
ethisch und Theorie gestütztes Fundament für ein gemeinsames Berufsverständnis zu
entwerfen. Deshalb werden auf diesem Kongress besonders die Schnittstellen zwischen
Profession und Disziplin von Interesse sein - beispielsweise die Fragen des Mandats der
Sozialen Arbeit, insbesondere dem politischen inklusive konkreter
Handlungsmöglichkeiten, die Analyse der Produktion des Sozialen, wie z.B. die Bedeutung
von Zwang und Kontrolle in einer zunehmend punitiven Entwicklung sowie die aktuelle
Wirksamkeitsdebatte, die z.B. in der Auseinandersetzung um evidence based practices
deutlich wird.

Organisatorische GrundzĂĽge des 8. Bundeskongresses
Die Agora soll sich als die Versammlung der freien und gleichen Menschen in den groĂźen
Versammlungen zu Beginn und am Ende des Kongresses symbolisieren, aber auch am
Open-Space-Meeting zu Identität und Eigensinn am zweiten Tag des Kongresses, dessen
Ergebnisse in die Abschlussresolution einflieĂźen sollen.
Mit Themen- bzw. Arbeitsfeld-spezifischen Arenen zu Beginn des zweiten Tages sollen die
angerissenen Themen aufbereitet und analysiert werden. Unterschiedliche und thematisch
breit variierende Arbeitsgruppen sollen die Thematiken jeweils vertiefen. Dabei soll es
möglich sein, dass Arbeitsgruppen von unterschiedlicher Dauer sein können.