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Sexueller Kindesmissbrauch: Anlaufstelle Missbrauchsbeauftragte: Neue Analysen der Anrufe und Briefe jetzt veröffentlicht
hinzugefügt am 19-11-2011
Neue quantitative und qualitative Analysen der Anrufe und Briefe in der Anlaufstelle der UnabhÀngigen Beauftragten jetzt veröffentlicht
Endbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung enthĂ€lt den bisher grĂ¶ĂŸten Datensatz ĂŒber Zeugnisse und Forderungen von Betroffenen zu sexuellem Missbrauch in Deutschland.


Berlin, Ulm, 17. November 2011. Mit dem Ende der Amtszeit der UnabhÀngigen
Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin a.D., am 31.10.2011 endete auch der Auftrag an die wissenschaftliche
Begleitforschung der Anlaufstelle, die durch ein Team um den Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeuten Prof. Dr. Jörg M. Fegert vom UniversitĂ€tsklinikum Ulm durchgefĂŒhrt und von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet wurde.

Der Endbericht berĂŒcksichtigt die Inhalte aller Anrufe und Briefe, die von April 2010 bis Ende August 2011 bei der Anlaufstelle der UnabhĂ€ngigen Beauftragten eingegangen waren. "Mit den jetzt veröffentlichten Ergebnissen der quantitativen und qualitativen Auswertung liegt uns der bisher grĂ¶ĂŸte Datensatz in Deutschland zu Berichten von Betroffenen zu sexuellem Missbrauch vor", so Prof. Dr. Fegert, "die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse ĂŒber die Thematik des sexuellen Kindesmissbrauchs, die nicht nur in den Abschlussbericht der UnabhĂ€ngigen Beauftragten und die Arbeit des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch" eingeflossen sind, sondern auch weitere wichtige Impulse fĂŒr die Forschung und alle Akteure, die mit Kindern und Jugendlichen zur Thematik arbeiten, setzen werden."

Der gesamte Datensatz nach rund eineinhalb Jahren Anlaufstelle (6.300 verwertbare DatensĂ€tze aus rund 22.000 Anrufen und Briefen) erlaubt nun auch zum ersten Mal eine Auswertung der Angaben von Betroffenen in drei verschiedenen Altersgruppen. In den bisher veröffentlichten Zwischenberichten waren alle Berichte trotz großer Altersspannen (6-89 Jahre) gemeinsam analysiert worden, nun wurden die Altersgruppen 16 - 39 Jahre, 40 - 59 Jahre und ab 60 Jahre auch getrennt analysiert.

Diese neu gebildeten Vergleichsgruppen erlauben eine EinschĂ€tzung von Entwicklungstrends. Hier scheint sich beispielsweise zu bestĂ€tigen, was nach der Vorstellung der ReprĂ€sentativbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) durch Prof. Dr. Christian Pfeiffer ebenfalls betont wurde, dass ein RĂŒckgang der MissbrauchsfĂ€lle in kirchlichen Institutionen in den jĂŒngeren Altersgruppen feststellbar ist.

Da es sich um eine Inanspruchnahmepopulation (Betroffene und Kontaktpersonen von Betroffenen meldeten sich selbst) und nicht um eine reprÀsentative Stichprobe (Befragung eines Querschnitts der Gesellschaft) handelt, können keine Angaben zur proportionalen GesamthÀufigkeit in der Bevölkerung gemacht werden. Der Datensatz mit tausenden von Angaben zu Missbrauchsgeschehen ermöglicht aber einen vertieften Einblick in sehr viele Schicksale und Kontexte, wie er in einer ReprÀsentativbefragung kaum möglich ist.

WĂ€hrend beispielsweise in der ReprĂ€sentativbefragung von Prof. Dr. Pfeiffer nur vier Heimkinder ĂŒberhaupt erreicht werden konnten und Heimkinder damit auch nach Angaben des KFN deutlich unterreprĂ€sentiert sind, enthĂ€lt der Datensatz des Endberichts der Anlaufstelle Angaben von ĂŒber
300 betroffenen Heimkindern. Da Fremdbetreuung fĂŒr viele gefĂ€hrdete Kinder oft die einzige Chance, gleichzeitig aber auch ein neues GefĂ€hrdungsrisiko darstellt, wurden im Endbericht auch Daten zu ehemaligen Pflegekindern und Missbrauch in PflegeverhĂ€ltnissen ausgewertet. Erstmals finden sich im Endbericht auch eine Sonderauswertung der FĂ€lle im Kontext der katholischen und evangelischen Kirche in GegenĂŒberstellung zu FĂ€llen in weltlichen Institutionen sowie Auswertungen zu Missbrauch im medizinisch-therapeutischen Kontext oder zu seltenen, aber schwerwiegenden FĂ€llen ritueller Gewalt.

"In den letzten eineinhalb Jahren haben sich viele Menschen in dem Prozess der Aufarbeitung engagiert und ihren persönlichen Beitrag hierzu geleistet", so Prof. Dr. Fegert bei der Übergabe des Endberichts an die GeschĂ€ftsstelle der ehemaligen UnabhĂ€ngigen Beauftragten, "nach dem Ende des Runden Tisches erwarten viele Betroffene zu recht, dass die Politik definitiv Konsequenzen zieht und sich in der Praxis, auch in der FlĂ€che der gesamten Bundesrepublik, etwas verbessert."
Die GeschÀftsstelle der UnabhÀngigen Beauftragten sowie die telefonische Anlaufstelle mit der kostenfreien Rufnummer 0800-22 55 530 werden seit dem 1. November 2011 kontinuierlich
weitergefĂŒhrt. Eine Nachfolge von Frau Dr. Bergmann wird spĂ€testens mit Ende des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch" Ende November erwartet. Noch immer gehen tĂ€glich zwischen 40 und 60 Anrufe in der telefonischen Anlaufstelle ein, die bei Zustimmung fortgesetzt dokumentiert werden. Seit April 2010 sind inzwischen 23.500 Anrufe und Briefe in der Anlaufstelle eingegangen.

Den Endbericht sowie die Zwischenberichte der wissenschaftlichen Begleitforschung finden Sie unter www.beauftragte-missbrauch.de.
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Pressekontakt:

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit GeschĂ€ftsstelle UnabhĂ€ngige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs: Friederike Beck, Tel +49 (0)30 18 555-1554, friederike.beck@ubskm.bund.de

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit UniversitĂ€tsklinikum Ulm: Jörg Portius, Tel. +49 (0)731 500 43044, joerg.portius@uniklinik-ulm.de