Werner R. Müller / Erik Nagel / Michael Zirkler (Hg): Organisationsberatung – Heimliche Bilder und ihre praktischen Konsequenzen

hinzugefügt: 2-05-2010
242 Seiten. Verlag: Gabler. 1. Auflage 2006
ISBN-10: 3834902306
ISBN-13: 978-3834902306

Als Selbstverständlichkeit haben in den letzten Jahrzehnten Prozesse zur Organisationsberatung Einzug gehalten in betriebliche Abläufe. Da Beratungen, wenn sie furchtbare Prozesse in Gang setzen, fast immer auch zu Veränderungen führen, Veränderungen aber nicht immer einfach zu tragen sind, steht die Organisationsberatung oft in der Spannung zwischen Wertschätzung und Kritik.

Eine Haltung Klienten und, umgekehrt, Beratern gegenüber, die nicht nur als Reaktion auf Methoden und Strukturen des jeweiligen Beratungsprozesses entstehen, sondern deren Wurzel vielfach auch in der eigenen Haltung und den eigenen, oft unbewussten, Vorstellungen und Bildern der Beteiligten gegenüber der Beratungssituation zu finden ist.

Ganz hervorragend und verständliche geschrieben eignet sich das Buch zur Betrachtung und Bearbeitung dieser, manches Mal, hinderlichen Vorstellungen von Beratungen.

In Abgrenzung zur vielfältigen Literatur über Philosophie und Ansätze der Beratung setzen die Herausgeber in diesem Buch vor allem auf die Darstellung dieser "anderen Seite", der Erlebniswelt von Beratern und Klienten. Genauer: Der Focus des Buches liegt auf den "inneren Bildern" der beteiligten Personen in der Beratungssituation. Bilder und Vorstellungwelten, die durch die Dynamik der von ihnen geprägten Beziehung zwischen Berater und Klient eine, oft unbewusste, Steuerungsfunktion für den Beratungsprozess in sich tragen. Anhand der Reflektion von 32 Interviews mit Beratern und Klienten werden diese inneren "Bilder" ins Bewusstsein gehoben und ermöglichen so einen tieferen Einblick in das innere Geschehen des Beratungsprozesses.

In vier Themenbereiche gliedern die Herausgeber ihre Offenlegung der inneren Dynamik von Beratungsprozessen.

In einer ausführlichen Grundlegung werden zum einen Wesen und Struktur von systemischen Beratungsansätzen erläutert, zum anderen aber auch die Bilder von Beratern und die Erfolgsvorstellungen an eine Beratung thematisiert.

Der zweite Teil eröffnet den Zugang zur Beratungswelt, der Schwerpunkt liegt, dem Vorhaben des Buches folgend, im Nachgehen der Perspektiven, Überzeugungen und Deutungen der beteiligten und damit zugleich beobachtenden Berater und Klienten.

Der dritte Teil wendet sich sodann der praxisnahen Betrachtung jener "heimlichen" Bilder zu, die den Beratungsprozess so sehr unbewusst beeinflussen. Anhand ausgewählter und immer praxisnaher Themen (z.B. wirtschaftliche Transaktion, Bilder vom Erfolg, Machtspiele zwischen Berater und Klient, partnerschaftliches Arbeiten etc.) werden Grundlagen der inneren Disposition erläutert und diese an Fallbeispielen anschaulich dargestellt.

Das abschließende Kapitel bietet einen Ausblick für die Beratungstätigkeit mit dem Tenor, das Selbstverständliche weitest möglich in das bewusste Arbeiten zu integrieren. Um die "eigenen, blinden Flecken" für den Beratungsprozess nutzbar zu machen, bedarf es einer Auflösung dieses unbewussten Automatismus. Das letzte Kapitel gibt hierfür Methoden an die Hand, die Betrachtung dieser "heimlichen Bilder" zu ermöglichen und somit mit zur Bearbeitung heran zu ziehen.

Das umfassende Literaturverzeichnis zeigt die angelegt Breite der Bearbeitung des Themas und lädt zur Vertiefung ein.

Auf gut 240 Seiten gelingt den Herausgebern, die oft unterbewerteten unbewussten sozialen Prozesse des Beratungsgeschehens in den Blick zu rücken.

In überzeugender Weise werden die Grundlagen und die Folgen der postulierten "heimlichen Bilder" dargestellt und, immer wieder bestens, durch Praxisbeispiele verdeutlicht und vertieft. Der theoretische Teil des Buches ist, dankenswerter Weise wie das ganze Buch, in verständlicher Sprache verfasst, inhaltlich überzeugend und leicht zugänglich.

Die zur Hand gegebene Methode des "Geschichten erzählen (lassen) und deuten" ist zwar kein unbekanntes Instrument, hier aber methodisch verständlich verdeutlicht und damit in ihrer Wichtigkeit als Methode nachhaltig verankert. "Offene statt gescheite Fragen zu stellen" ist zwar eine methodische Binsenweisheit, in der Praxis aber häufig schwierig, bei zu behalten. Gut, dass das Instrument des "narrativen Interviews" in diesem Kapitel noch einmal praxisnah geschärft wird.

Fazit:
Ein wichtiges Buch nicht nur für aktive Berater. Auch als "zu beratende" Person oder Organisation lesenswert vor Beginn eines möglichst erfolgreichen Beratungsprozesses. Eingängig und verständlich geschrieben mit einer ganzen Reihe von "Augenöffnern" für Beratungsstolpersteine.

Rezensent: Michael Lehman-Pape