Jürgen Heidenreich: Kostenfaktor Mobbing

hinzugefügt: 12-11-2011
Wie Manager Ursachen erkennen und erfolgreich vorbeugen
194 Seiten, 39,90 € Verlag: wbv Bielefeld 2011

ISBN: 978-3-7639-4886-4

Mobbing aus Sicht der Managementebene

Vielfältig ist die Literatur zum Thema „Mobbing“, der Ansatz aber, das Feld des Mobbing aus dem Blickwinkel der Führungskräfte zu beleuchten ist durchaus innovativ und in dieser Form bisher kaum grundlegend betrachtet worden. Nicht umsonst also ist eines der zentralen Themen des Buches jenes „von oben verordnete“ Mobbing, das zu Zeiten durchaus auch für ein breites Medienecho sorgte und häufiger im Raume steht, als man sich wünschen würde. Unliebsame Mitarbeiter durch „Mobbing von oben“ aus dem Unternehmen zu drängen ist damit ein Teilbereich eines „organisierten Mobbings“, dem sich Jürgen Heidenreich dankenswerterweise intensiv zuwendet.

In der Form geschieht dies durch vielfache, praktische Beispiele, die nicht konstruiert wurden, sondern „aus dem wahren Leben gegriffen“ sich im Buch vorfinden. Beispiele, Erlebnisse, die auch die Niederträchtigkeit dieser Form der (verfehlten) Kommunikation offen legen. Hierbei stellt Heidenreich fundiert und deutlich fest, dass Mobbing keine „Moderescheinung“ war oder ist, sondern ein durchaus weit verbreitetes Phänomen, welches durch den starken Anstieg prekärer Arbeitsverhältnisse in noch höherem Maße sich verbreiten könnte. Allerdings beton Heidenreich auch gegenläufige Trends. Diese entstehen nicht unbedingt aus Einsicht oder neu erworbenen ethischen Grundhaltungen, allein schon die demographische Entwicklung in Deutschland öffnet manchen Arbeitgebern die Augen darüber, dass ein sorgsamerer Umgang mit tatsächlichen und potentiellen Mitarbeitern betriebswirtschaftlich zunehmend notwendig wird. In diesem Zusammenhang ist bereits das zweite Kapitel des Buches von hohem Interesse, in dem Heidenreich auf die Kosten des Mobbings zu sprechen kommt und diesen die (weitaus geringeren) Kosten präventiver Maßnahmen gegenüber stellt.

Im weiteren wendet sich Heidenreich dem Thema in aller Breite und notwendiger Tiefe zu. Differenziert führt er Gründe für Mobbing auf (Überforderung bei Arbeitsverdichtung, neue Anforderungen, persönliche Animositäten u.v.m.) und setzt hierbei immer wieder Betrachtungen zu seinem Schwerpunkt aus der Sicht der Führungsebene ein (betriebliche Ursachen, verordnetes Mobbing, Gründe von Seiten der Vorgesetzten u.a.).

Über eine genaue Beschreibung bekannter Mobbingformen leitet Heidenreich zum Erkennen von Mobbing über (nicht jede negative Äußerung ist zugleich bereits Mobbing) und verweist, auch dies lesenswert (und neben den Kosten des Mobbing auch ein guter Einstieg in das Buch) auf die eigentlich im Raum stehenden Verpflichtungen des Arbeitgebers dem Mitarbeiter gegenüber (die sich so gar nicht mit einem Mobbing in Deckung bringen lassen).

Konkrete Möglichkeiten, einem existierenden Mobbing zu begegnen finden sich ebenso im Buch wie vielfache Anregungen, ein Mobbing erst gar nicht aufkommen zu lassen (Vorbeugung). Wobei die Grundanliegen von Jürgen Heidenreich in den letzten Einlassungen kulminieren, Mitarbeiter stark zu machen, Lob und Kritik konstruktiv einzusetzen und damit ein konstruktives Betriebsklima zu schaffen. Grundlegende Aufgaben der Führungsebene eben.

In sehr übersichtlicher Form, durch Tabellen, farbliche Hervorhebungen und einige Grafiken illustriert legt Jürgen Heidenreich eine umfassende Betrachtung zum Thema Mobbing vor, die zum einen durch ihre Praxisnähe, zum zweiten durch ihre sachliche Objektivität und zu guter letzt durch ihren Schwerpunkt auf die Sicht aus der Führungsebene heraus ihren besondern Wert hat. Nicht nur die Erkenntnis, dass Mobbing vielfach mehr Kosten als Nutzen nach sich zieht wird dabei eindrücklich vermittelt, sondern vor allem auch vielfältige Interventionsmöglichkeiten, ein bestehendes Mobbing aufzuarbeiten oder, noch besser, ein solches gar nicht erst aufkommen zu lassen im Rahmen der betrieblichen Kommunikationskultur.

Ein Buch, dass einen innovativen Zugang zum Thema bietet und andere Sichtweisen als die Gewohnten zum Thema in sich birgt.

Rezensent: Michael Lehmann-Pape