Fischer, J.; Kosellek, Tobias (Hrsg.): Netzwerke und Soziale Arbeit
Verlag: Beltz, Weinheim 1. Auflage 2013. 520 Seiten.
ISBN 978-3-7799-2826-3
Zur Schärfung und Definition der Netzwerke
Die moderne Gesellschaft ist soweit von Netzwerken bezogen, dass der Begriff „Netzwerkgesellschaft“ diese Durchdringung zutreffend beschreibt.
Inwieweit aber wirkt sich dieses „Netzworking“ auch auf die Soziale Arbeit aus?
Die Herausgeber stellen sich die Beantwortung dieser Frage als Aufgabe und gehen davon aus, dass Vernetzungsphänomene auf mehreren Analyseebenen von Bedeutung sind.
Wobei schon zu Beginn der Betrachtung das erste, grundlegende Problem ins Auge des Lesers gerückt wird. Denn der Begriff „Netzwerke“ ist kaum geschärft, zahlreiche und mannigfaltige Erklärungen dessen, was Netzwerke sind und wofür diese stehen, sind bei Nachfrage umgehend im Raum.
So ergibt sich folgerichtig der erste Schritt der Untersuchung. Eine Annäherung, Schärfung und Definition des Begriffes „Netzwerk“.
Getreu der fachlichen Ausrichtung vollziehen die verschiedenen Autoren diese Annäherung an den Begriff umgehend in Bezug zur Sozialen Arbeit und bieten im ersten Teil des Buches eine breite, differenzierte, von verschiedenen Betrachtungswinkeln herangehende Diskussion der „Verortung von Netzwerken in der sozialen Arbeit“.
Verwiesen sei hier, neben den anderen prägnanten Beiträgen, vor allem auf die Anwendung der soziologischen Systemtheorie zur näheren Verortung sozialer Netzwerkphänomene.
Ein geglückter Versuch, der bisher als nicht naheliegend vernachlässigt wurde.
Wichtig herausgehoben ist die klare Herausarbeitung von „Herstellung“ und „Darstellung“ von Netzwerken im Kontext der sozialen Arbeit (Es gibt keine „Netzwerkdarstellung ohne Netzwerkherstellung“, aber es gibt „Netzwerkherstellung ohne Netzwerkdarstellung“, und dies durchaus häufig). Ein wichtiger Schritt für den weiteren Diskurs und ein vertiefendes Verständnis des Zusammenhanges von Netzwerken und sozialer Arbeit ist somit vorrangig eine breitere „Netzwerkdarstellung“ an den vielen Orten der bereits (automatisch fast) erfolgten Netzwerkherstellung. Und ebenso wichtig ist die, systemtheoretisch aufzuwerfende, Frage nach der sozialen Akzeptanz sich partikulär herstellender Netzwerke.
Eine Frage, die im Rahmen einer Betrachtung nur aus Sicht der Netzwerktheorie in Gefahr gerät, vernachlässigt zu werden.
Und die mit dem Beitrag von Fuhse. „Kommunikation und Handeln im Netzwerk“, dahingehend gut korrespondiert und Werkzeuge zur Verfügung stellt, die Vielfalt der sich „einfach so“ herstellender Netzwerke in der sozialen Arbeit aus dem „Unbewussten“ in die Ebene empirischer Beschreibbarkeit in Entstehung und Verfestigung zu führen.
Gemeinsam mit den anderen Beiträgen dieser grundlegenden Betrachtung („Netzwerke in der sozialen Arbeit“, Netzwerke und Neoinstitutionalismus“, Systemische soziale Arbeit und Netzwerke“, „Soziale Arbeit zwischen Netzwerken und Institutionen, „Vertrauen in Netzwerke“ u.a.) ergibt sich im ersten Teil ein erkennbares Bild und eine schärfere Fassung in Bezug auf die Soziale Arbeit dessen, was Netzwerke sind und wie sich diese entwickeln.
Erkenntnisse, die im zweiten Hauptteil des Buches geschärft und in ihrer gegenwartsdiagnostischen Einbettung in das Feld der sozialen Arbeit hilfreich beschrieben werden. „Netzwerken“ wird verortet als „methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit“, wobei dieser geschärfte Blick wertvolle Impulse zu einem aktiven und gestalterischen „Netzwerkmanagement in der Sozialen Arbeit“ (Schubert) mit auf den Weg gibt.
Eine Konkretisierung der beiden ersten, deskriptiv annähernden Teile, findet sich zum Abschluss im dritten Hauptteil des Buches.
„Netzwerke in Handlungsfeldern Sozialer Arbeit“ bietet im Blick auf Beratung, Netzwerke im Alter(n), Kinderschutz, Bildungs- und Sozialpolitik, Soziale Arbeit in „virtuellen Netzwerken“, Vernetzung im ländlichen Raum, Kinder- und Jugendhilfe, Bildung, Jugendkriminalität und gesundheitsbezoge Soziale Arbeit umfassende und gut verständliche Beiträge, welche die Vielfalt der Netzwerke gut vor Augen führen und verdeutlichen, dass „Netzwerke“ im Grunde Basis (fast aller) Sozialen Arbeit darstellen.
Im Gesamten erhellt das Buch den Begriff des „Netzwerkes“, bietet Definitionen, Abgrenzungen, Unterscheidungen und ist in der vorliegenden Form ein wichtiger Baustein zur theoretischen und empirischen Betrachtung von Genese, Wirkung und stetiger Entwicklung von Netzwerken in der Sozialen Arbeit. Eine notwendige Konkretisierung des Begriffes, der nun eine stärkere Fassbarkeit durch Abgrenzung und klarer Verortung im Rahmen der Sozialen Arbeit mit sich bringt.
Rezensent: Michael Lehmann-Pape