Hensgen, Andrea: Praxishandbuch Märchen für Kita und Grundschule
194 Seiten. 19,90€
ISBN: 978-3-784126906
Was wäre die Welt ohne Märchen? Wie denen von den Gebrüdern Grimm oder aus 1001 Nacht? Nicht nur in Kindertagesstätten und Schulen, beim Ausruhen und zum Erwerb von u.a. sprachlichen, sozialen Kompetenzen eignen sie sich. Die Autorin wendet sich mit ihrem Handbuch an Erzieher_innen und Pädagog_innen.
Andrea Hensgen, selbst Autorin von Kinder- und Bilderbüchern, zeigt eine bedürfnis- und entwicklungsorientierte Auseinandersetzung mit Märchen. Das Buch enthält Hinweise wie mit Märchen gearbeitet werden kann: Die Autorin entwickelt anhand von vierzehn Märchen systematisch kreative Ideen zur Gestaltung des Kitaalltags, die alle Sinne ansprechen – Übungen zur Sprachentwicklung, zum Verständnis, zum Gestalten und Impulse zum Weiterdenken. Das Handbuch schließt ab mit einem Register, das es ermöglicht, individuell nachzuschlagen, was den eigenen oder den Interessen der Kinder entspricht.
Die Autorin nutzt hauptsächlich die Märchen der Gebrüder Grimm, die fast jeder Mensch hierzulande kennt. Sie verweist auf transkulturelle Methoden, indem sie bspw. das Vorlesen fremdländischer Märchen oder die Einladung von Eltern, die in anderen Muttersprachen vorlesen können vorschlägt. Die Märchen aus dem Mittelalter scheinen ihr noch immer geeignet, um gerade Klein-/Kindern die Trennung von Gut und Böse zu vermitteln, um später Differenzierungen zu lernen. Klein-/Kinder seien zu „mehr“ nicht in der Lage. Das erscheint beim weiteren Nachdenken fraglich, ist doch die transgenerationale Weitergabe erwiesen – wir prägen die Kleinen von heute so wie wir von unseren Erzieher_innen geprägt wurden. „Nein! Die Einflüsse sind doch so vielfältig wie wir Menschen!“ werden viele sagen, aber die im jungen Alter erlernten Zuschreibungen, wie „bescheiden“, „garstig“, „gut“ und „böse“, begleitet die Mehrheit von uns bis wir sterben und sie prägt die Art, wie wir alle fremde Menschen und Taten bewerten. Zu differenzieren lernen dann noch die wenigsten, wenn es nicht früh vermittelt wurde. Es wird zudem eine unklare Sprache über Gefühle benutzt, z.B. „böse sein“ für „wütend sein“. Währenddessen sind ebenfalls Ideen enthalten, wie respektvoller und kooperativer Umgang weitergegeben werden kann.
Der Umgang mit traditionellen Märchen in Kita und Grundschule erfordert viel Reflexionsvermögen, was die Autorin zumeist nur andeutet – sie weist bspw. auf möglicherweise entstehende „Vorbehalte“ durch Charakterdarstellungen hin –, weshalb der Einsatz gut überlegt sein will. Meines Erachtens sollte in der Beschäftigung mit Märchen jedoch verstärkt der Fokus darauf liegen zu vermitteln, was das Verhalten von Menschen mit anderen Menschen macht. Wie bewegt mich das Verhalten bspw. des Vaters/der Mutter? Macht es mich traurig? Werde ich wütend? Was bewegt aber jemanden, etwas „böses“ zu tun? Es sollte bedacht werden, dass das Verhalten jemanden nicht zu einem „bösen“ Menschen macht. Auch auf diese Weise könnte man sich Märchen nähern – auf einer menschlichen Ebene.
Weniger Schubladen sind mehr, wenn wir unsere Kinder zu Kooperation und Frieden erziehen wollen.
Rezension von: Karolin Behlert