Martin Hautzinger: Depression im Alter
Psychotherapeutische Behandlung für das Einzel- und Gruppensetting. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial
Verlag: Beltz 2016
ISBN: 9783621282994
Fundierte Darstellung eines oft unterbewertenden Themas
Eine komprimierte, aber fundierte und völlig ausreichende Einleitung in das Thema mit Störungsbild, den diagnostischen Verfahren und einer Darlegung der Grundprinzipien zur therapeutischen Arbeit mit älteren Menschen setzt differenziert im ersten Teil dieses Werkes das Thema.
Die breite Darstellung eines „Basisprogrammes“ mit einer sachgerechten Darstellung von Varianten und Anwendungsgebieten dieser Therapie von Depression bei älteren Menschen bietet sodann dem Leser eine sehr verständliche, sehr klare Rahmung für eine Therapie.
Sechs Grundmodule (Problemanalyse, Krankheitsinformation, Verhaltensaktivierung, Veränderung des depressiven Denkens, Erwerb von inneren Kompetenzen und die Sicherung der Fortschritte und damit die Vermeidung von Rückschlägen) bilden ein stabiles Gerüst für eine Therapie unter diesen (immer noch eher als besonders verstandenen) Umständen.
Die Verbindung zwischen häufigen physischen Erkrankungen im Alter mit einhergehender Depression (Parkinson, Herz-Kreislauf etc.) werden im Folgendem ebenso sorgsam aufgearbeitet, wie die Erweiterung der sechs Grundmodule um entsprechende „multiprofessionelle Gruppenprogramme“.
Zu guter Letzt, auch für die Angehörigen entfaltet Hautzinger eine Interventionsmöglichkeit. Das „Tips-Programm“ bietet prophylaktische Impulse und bei Eintreten eigener Depression als pflegender Angehörender auch eine klare Handreichung für die eigene (Vor-) Sorge.
Immer noch und seit Langem gilt Depression im Alter als ein wenig zentrales Thema der therapeutischen Arbeit. Und auch im allgemeinen Verständnis kann es weit verbreitet vorkommen, dass eine gewisse Melancholie, eine große Traurigkeit als fast „normal“ zu Ende des Lebens hin mit den vielen Abschieden und angesichts der eigenen, nachlassenden körperlichen Kräfte betrachtet wird.
Demgegenüber aber ist seit langem klar, dass die Lebenswartung stark gestiegen ist, die körperlichen Möglichkeiten oft länger erhalten bleiben und damit das Alter eine intensiv gestaltbare Lebenszeit mehr und mehr bildet. Und ebenso klar ist, dass mit zunehmendem Alter auch Ängste und Depressionen erkennbar zunehmen. Dies nicht nur aufgrund des dann akuten Zustandes, auch „alte“ Lebensthemen machen sich (wieder oder dann erst) mit Macht bemerkbar und verstärken sich oft zudem noch mit zunehmendem Alter.
Dass Schlafstörungen, Erschöpfung, Energiemangel und ähnliches eben nicht grundlegend und immer auf organische Ursachen zurückgeht (was bei vielen Ärzten noch als gegeben vorausgesetzt wird), sondern nicht selten auch Folgen einer depressiven Störung sind, das führt Hautzinger eloquent und überzeugend aus und richtet damit den Blick gezielt und klar zum einen auf die psychischen Ursachen so mancher körperlicher Schwächungen und zum anderen auf die Chance, Möglichkeit, ja Notwendigkeit, diese Erkenntnisse in die therapeutische Praxis zu integrieren.
In nun zweiter, stark erweiterter und die neuesten Erkenntnisse aufnehmender Auflage setzt Hautzinger wiederum einen Standard, dass Therapie mit älteren Menschen möglich, wichtig und sinnvoll ist und zudem nachweisbare Erfolge zeitigt.
Ein wichtiges Thema, verständlich und fundiert umgesetzt.
Rezensent: Michael Lehmann-Pape