Simon, F.: Formen

hinzugefügt: 26-09-2018
Zur Kopplung von Organismus, Psyche und sozialen Systemen
Verlag: Carl Auer Verlag 2018
317 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 2. Aufl. 54,00 €

ISBN 978-3-8497-0225-0

Wie Organismus, Psyche und soziale Formen gekoppelt werden können

Ein überaus breites Thema ist es, dem Sich Fritz B. Simon in diesem Werk zuwendet. Und er vollzieht dies auf eine sehr detaillierte, teilweise kleinteilige Art und Weise, die der Verbindung und den Wechselwirkungen zwischen Person, Psyche und den sozialen Systemen umfassend nachgeht.

Es sind die „Wechselbeziehungen zwischen der Dynamik biologischer Prozesse, der individuellen Psychodynamik und den Kommunikationsmustern in gesellschaftlichen Systemen“, die im Buch fundiert und gründlich untersucht werden und zu Ergebnissen gebündelt dann vorliegen.

Dies vollzieht Simon strikt auf der Basis von Konstruktivismus und Systemtheorie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass jeder Mensch im Alltag mit unterschiedlichen Bereichen der Wirklichkeit konfrontiert wird. Bereiche die je unterschiedlichen Spielregeln und Logiken folgen und daher jeder Mensch die Komplexität des eigenen Lebens eben nicht auf ein je einfaches „Ursache-Wirkung Prinzip“ reduziert werden kann. Gerade auch wenn jeder Mensch oftmals energisch versucht (oder auch nur behauptet), die Dinge seines Lebens einfachen Erklärungen und kontrollierbaren Rahmungen zuzuführen.

Ungewohnt, aber für den Lesefluss passend und gut erklärt ist, dass Simon im Werk auf Fußnoten und Quellenangeben verzichtet.
Weil Simon nicht für sich in Anspruch nimmt, völlig Neues darzulegen und „weil es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat“.

Was nicht bedeutet, dass Aufbau, Struktur und Arbeitsweise im Werk nonchalant daherkämen. Überaus detailliert gliedert Simon die vielfachen Aspekte der „Koppelung“ und arbeitet, in sehr verständlicher Sprache, alle diese Aspekte sorgsam heraus in einem „work in progress“, heißt, ohne Anspruch auf ein abschließendes und solitär stehendes Ergebnis.

Eine weitere Besonderheit der Form fällt dem Leser sofort ins Auge, wenn der inhaltliche Teil beginnt. Simon schreibt in klaren, einzelnen Sätzen, die durchnummeriert von vorne bis hinten zunächst ein ungewöhnliches Schriftbild ergeben, die vielleicht der „eigenen Zwanghaftigkeit“ geschuldet sind (die Simon ebenfalls betont, eine Form aber, die nach einiger Eingewöhnung, das Wiederfinden von, für den Leser je wichtigen, Inhalten sehr einfach gestaltet.

So ergibt sich im Gesamten fast eine Art Lexikon der Begriffe von Kopplungen und eine sehr strukturierte Betrachtung der Wechselwirkungen. Sei es, was Raum und Zeit angeht, was Strukturen und Muster von Kopplungen betrifft, was im Blick auf Selbstorganisation zu sagen wäre und die sorgsame Unterscheidung von Lebenden, Sozialen, Psychischen Systemen mitsamt deren „Kopplungsverhalten“ betrifft.

Mit wichtigen Erkenntnissen wie jener, dass die „Ganzheit des Menschen von einem Beobachter nicht ganzheitlich erfasst werden kann“ aufgrund der unterschiedlichen Bereiche und Systeme eben, in denen je andere Seiten des konkreten Menschen zum Vorschein treten.

Dass dabei die „Individualität“ des Menschen in Körper und Bewusstsein einerseits sich ausdrückt, vor allem aber eben durch die verschiedenen sozialen Systeme bedingt ist, an welche sich die Person im Lauf ihres Lebens „gekoppelt“ hat oder hatte und zudem noch die „Muster der Kopplung“ ihre unverwechselbaren, individuellen Spuren hinterlassen haben, ist nicht nur überzeugend dargestellt, sondern auch überaus einsichtig für den Leser aufbereitet.

Bis dahin, dass alle drei gekoppelten Systeme Charakteristika „lernender Systeme“ aufweisen.

So entsteht im Gesamten eine Art Entwicklungspsychologie des Individuums in sehr griffiger und nachvollziehbarer Form, durch die, nicht nur aber auch, die professionelle Haltung in Beratung und Therapie bestens reflektiert und verändert werden kann.

Eine ungewohnte, ungewöhnliche, aber gehaltvolle Lektüre, lässt man sich auf die besondere Form der Darstellung ein.


Rezensent: Michael Lehmann-Pape