Hans Weiß - Frühförderung mit Kindern und Familien in Armutslagen
ISBN 3-497-01539-3
Oft brauchen Kinder zur Verbesserung ihrer Entwicklungschancen wesentlich mehr Veränderungen in ihren Lebensumständen, als die Eltern ihnen zu geben imstande sind.
Die Verordnung, dass Kinder in Armutslagen eine Frühförderung benötigen und der Wunsch
der Eltern nach Hilfe und Unterstützung liegen jedoch häufig weit auseinander. Skepsis trotz des professionellen Angebotes von Frühförderung, die (unterstellte) Kontrollfunktion der Frühförderstellen, sind Haltungen und Ängste von Eltern, die diese Hilfe nicht unbedingt willkommen heißen, was bereits den Beziehungsaufbau schwierig macht. Ganz normal dagegen ist der Weg/der Kontakt zu Frühförderstellen: Er geschieht meist über den Arzt, die Klinik, die ErzieherIn im Kindergarten oder auch durch das Jugendamt, durch Gerichte oder durch das Gesundheitsamt. Frühförderung wird zur Auflage gemacht, um drohende Herausnahmen des Kindes aus der Familie zu umgehen und sie ist Bedingung begleitender Nachbetreuung, wenn Kinder in die Familie zurückgeführt werden.
Es gibt noch nicht besonders viel Literatur, die sich mit der Förderung von Kindern in Armut beschäftigt. Nicht nur ein Grund, dieses Werk von Prof. Dr. Hans Weiß (Körperbehindertenpädagogik) als sehr wichtig und längst überfällig hervorzuheben: Armut kommt in diesem Buch in ihren vielfältigen Erscheinungsformen und Zusammenhängen zur Sprache - und besonders im Hinblick auf Entwicklungsgefährdungen und Behinderung bereichern die in sich abgeschlossenen, gut lesbaren und fundierten Beiträge die aktuelle wissenschaftliche und praxisbezogene Diskussion. Das Buch ist so aufgebaut, dass es von allgemeinen Aspekten zu Armut und Benachteiligung, den Erscheinungsformen, den Zusammenhängen mit Entwicklungsgefährdungen und dem Umgang der Sozialpolitik mit Armut hinführt zu den unterschiedlichen institutionellen Hilfesystemen. Weiterhin werden wichtige Bereiche der Frühförderarbeit dargestellt und neuere Forschungsergebnisse aus den USA berücksichtigt.
Trotz der Projekte zur Bekämpfung der Kinderarmut besteht schließlich Armut und Mehrgenerationenarmut. Kinder sind zweifelsohne unverschuldet arm, was aber nicht ausschließt, dass zwischen verschuldeter und unverschuldeter Armut differenziert wird. Die Frage wirft sich auf, ob die Beschäftigung mit "Kinderarmut" die Armut an sich verdrängt und strukturelle Gründe wie Massenarbeitslosigkeit kritiklos weiter bestehen lässt und eine konservative Politik fördert...
Erschienen im Ernst Reinhardt Verlag.
Rezension von Claudia Schütte