Schmidt-Eule, Matthias - Chiapas 1994 - 2001

hinzugefügt: 15-09-2003
Aus der Reihe « Hispano-Americana » 242 Seiten. 37,80 Euro
ISBN 3-631-39954-5

Kein anderer regionaler Konflikt bekam Mitte der 90er Jahre so viel Aufmerksamkeit wie der Aufstand der Zapatisten in Chiapas, Mexiko. Während die Einen von der ersten „postmodernen Revolutionen“ sprechen, verurteilen Andere den bewaffneten Aufstand als „hoffnungslose Spinnerei“.
Schmidt-Eule bemüht sich bei seinem Buch um einen neutralen Blick, der vielen Publikationen bei diesem so emotionsgeladenen Thema fehlt. So kritisiert er, dass viele Autoren, die sich zu dem Thema öffentlich äußern, die Komplexität der Situation in Chiapas nicht erfassen. Genau dies sei jedoch nötig, um die Lage dort richtig einzuschätzen und frei von ideologischen Ansichten die Revolution der Zapatisten zu bewerten.
Deswegen geht der Autor von einem Drei-Ebenen-Modell aus, das in den Sozialwissenschaften oft zur Analyse regionaler Phänomene verwendet wird.
Auf der Mikroebene agieren die Gruppen in den chiapanekischen Gemeinden wie z.B. die verschiedenen ethnischen Gruppierungen. Die Mesoebene umfasst das gesamte Konfliktgebiet und die Makroebene bilden die EZLN (Zapatistische Armee der nationalen Befreiung), die mexikanische Regierung sowie weitere nationale und internationale Akteure.
Schmidt-Eule zeigt auf, dass der Konflikt in seiner Gesamtheit nur durch Einbeziehung all dieser Faktoren verstanden werden kann, ideologisch begründete Sympathien für eine bestimmte Partei versucht er zu vermeiden. Besondern die europäische Linke verklärt die Zapatisten mit ihrem Chef „Subcomandante“ durch eine subjektive Revolutionsromantik zu Helden, ohne die Motive und Handlungen genauer zu hinterfragen. So kritisiert er, dass selbst bei Erfüllung sämtlicher Forderungen der Guerilla, die Probleme im südlichsten Bundesstaat Mexikos nicht gelöst, sondern nur um einige Jahre nach hinten verschoben würden.
Dennoch muss man festhalten, wie auch der Autor eingesteht, dass die Lebensverhältnisse der Menschen in Chiapas beinahe unerträgliche waren und immer noch sind und eine Verbesserung derselben von der mexikanischen Regierung nie ernsthaft angestrengt wurde. Angesichts des täglichen Elends der Einwohner von Chiapas und der hoffnungslosen Lage kann man bei diesem Thema natürlich nur schwer Neutralität waren.
Gerade deswegen muss man den Zapatisten zuhören und sie eben auch nicht als „verwirrte Revolutionäre“ aburteilen, lenkten sie doch viel Aufmerksamkeit auf Chiapas und dienen sicher – dank ihrem professionellen Umgang mit den Massenmedien – einem Großteil der meist indigenen Bevölkerung als Sprachrohr.
Da Literatur zu diesem Thema meist mehrere Jahre alt ist, liefert „Chiapas 1994 – 2001“ einen aktuelleren und hervorragend vielfältigen Blick auf die Geschehnisse im Süden Mexikos, als die meisten ähnlichen Publikationen.

Erschienen im Peter Lang Verlag.

Rezension von Christoph Lottes