"Schizophrenie" ist die deutsche Erstausgabe des bereits 1997 in englischer Sprache erschienenen Buches des finnischen Psychiatrie-Professors und Forschers Yrjö O. Alanen. In insgesamt 7 Kapiteln beschreibt der Autor seine, in über 40 Jahren gesammelten klinischen und sozialpsychiatrischen Erfahrungen mit schizophrenen Patienten. Sein Augenmerk gilt dabei der psychotherapeutischen Beziehung und deren wechselseitigen Einflüssen mit Psychodynamik und systemischer Orientierung.
Alanen versucht dem Leser den von ihm und Mitarbeitern der psychiatrischen Universitätsklinik Turku entwickelten, integrierten psychodynamischen Ansatz vorzustellen und anhand von Praxisfällen anschaulich ein Bild von seiner Therapiemethode der Psychosebehandlung zu zeigen.
Der Autor bietet am Anfang des Buches dem Leser die Möglichkeit, sich in die Erlebniswelten schizophrener Störungen seiner Patienten Sarah, Erik und Paula einzufühlen, und leitet dann von allgemeinen Bemerkungen zum Krankheitsbild (Symptome, Diagnostik, Modelle u.a.) zu dem Versuch einer Synthese möglicher Entstehungsfaktoren über. Dabei geht Alanen mit Betonen (s)eines integrierten Ansatzes von biologischen, psychologischen und psychosozialen Erkenntnissen auf eine Vielzahl internationaler Studien zur genetischen Disposition oder der psychodynamischen Familienentwicklung und Auftreten von Schizophrenie ein. Daran anschließend werden Risikofaktoren in Bezug auf entwicklungsbedingte Lebenskrisen (Adoleszenz) und einen möglichen Ausbruch einer Psychose genannt. Auch hier gilt das verstärkte Interesse des Verfassers den innerfamiliären- und psychischen Prozessen bei Betroffenen.
Die Behandlung der Schizophrenie ist Thema des 4. Kapitels, in dem Alanen eine kurze Zusammenfassung der Entwicklung psychopharmakologischer, psycho- und familientherapeutischer Therapie(n) und deren Einsatz in Institutionen und Gemeindepsychiatrie seit den 50'er Jahren des letzten Jahrhunderts abgibt.
Eigene wissenschaftliche Untersuchungen zu einer neuen Behandlungsform (Behandlungsphilosophie) der schizophrenen Psychosen die, vorrangig psychotherapeutisch orientiert, im psychiatrischen Versorgungssystem Finnlands erprobt und eingesetzt werden sollte, stellt Alanen am Beispiel des "Schizophrenieprojektes" in Turku vor, und erläutert hierbei die Prinzipien der bedürfnisangepassten Behandlung, die von vier Grundregeln psychotherapeutischer Orientierung getragen werden. Der psychoanalytische Zugang, hier nicht nur in individualisierter Richtung gemeint, wird im Hinblick auf das psychodynamische Verstehen der fallspezifischen therapeutischen Bedürfnisse des Patienten deutlich. Für Alanen bedeutet es jedoch keinen Gegensatz, wenn psychodynamische Einzeltherapie mit systemischer Familientherapie kombiniert bzw. ergänzt wird. Dies unterstreicht der Autor im nachfolgenden Kapitel mit der Schilderung und Evaluation seiner therapeutischen Erfahrungen mit schizophrenen Patienten. Die andere Hälfte besteht aus weiteren Fallbeispielen, die im Vergleich zu den vorherigen theorieschweren Abschnitten Abwechselung bieten.
Im Schlussteil kommt die soziale Dimension und ihre Wirkung auf die Schizophrenie in das Blickfeld des Lesers. Gesellschaftspolitische Faktoren innerhalb der psychiatrischen Behandlungslandschaft werden dargestellt und mit präventiven Strategien verglichen. Der Zukunft psychiatrischer Behandlung widmet der Autor die letzten drei Seiten, worin er Kritik an einer ausschließlich, naturwissenschaftlichen Perspektive seines Faches übt, und den Fortschritten biomedizinischer Forschung die Resultate des umfassenden psychotherapeutischen Ansatzes (mit Aussicht auf gute Prognosen der Schizophrenie) gegenüberstellt.
Alanen's "Schizophrenie" ist das Lebenswerk eines Wissenschaftlers, der Theorie in Praxis integriert, und umgekehrt praktische Erfahrungen innerhalb der therapeutischen Beziehung nutzt, um den Versuch zu wagen, für ersterkrankte schizophrene Menschen eine auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Behandlung zu entwickeln.
Das Buch richtet sich an alle psychiatrisch, hier v.a. psychotherapeutisch Tätigen, die Interesse daran haben, neue Sichtweisen zur Behandlung von Schizophrenie innerhalb Europas kennen zu lernen.
Für Soziale Berufe setzt der Stoff gute Kenntnisse von Psychoanalyse, Familien- und Systemischer Therapie sowie psychiatrischer Lehre voraus.

Rezension von: Michael Horn / Heilerziehungspfleger und Student der Sozialpädagogik

Erschienen im Klett-Cotta Verlag.

Rezension von Michael Horn