Peter Dettmering / Renate Pastenaci - Das Vermüllungssyndrom

hinzugefügt: 28-02-2003
Theorie und Praxis, 2. erweiterte Auflage 2001. 152 Seiten kartoniert Preis: 17,80 EUR
ISBN 3-88074-295-2

Dieser kleine, gut lesbare Band beschäftigt sich mit der Frage, ob es ein Vermüllungssyndrom im klinischen Sinne tatsächlich gibt, welche Charakteristika das angenommene Krankheitsbild zeigt und welche Hilfen Betroffene erhalten (können).

Die in über 30 Jahren psychiatrisch/psychotherapeutisch-gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse mit Klienten fassen die Autoren zu einer Untersuchung des Phänomens "Vermüllung-Verwahrlosung" (mit all seinen psychosozialen Folgen) zusammen, stellen dabei Formen und Erklärungsmodelle vor und überprüfen ihre aufgestellten Thesen anhand von 30 Fallbeispielen.

Theorie bedeutet hier in erster Linie - bisherige Forschungsergebnisse in der wissenschaftlichen Literatur zusammenzutragen und einen Überblick über Theorien des "Vermüllungssyndroms", das seit Mitte der achtziger Jahre diskutiert und beobachtet wird, vorzustellen. Dabei spürt man das psychoanalytische Interesse (Ursachenforschung) der Verfasser und die Faszination in der Begegnung mit Menschen 'am Ende verschiedener biographischer Entgleisungen' (S.21). Es sind sowohl ältere wie auch junge Menschen, immer aber alleinstehend und mit der aktuellen Lebenssituation überfordert, die die beiden Psychotherapeuten in den vergangenen Jahren gesehen und kennen gelernt haben.

Dettmering/Pastenaci kommen zu der Auffassung, dass die Betroffenen an einer Unfähigkeit leiden, wertvoll und wertlos, brauchbar und unbrauchbar zu trennen - die einer möglichen Grundstörung eines konfliktbeladenen inneren Zustandes der Personen zugrunde liegt.

Ihrer Meinung nach existieren 3 Hauptfaktoren, die ein Vermüllungssyndrom kennzeichnen: Soziale Isolierung, Müll als Entlastung von seelischen Problemen und Panikreaktion bei Entmüllung (S.79). Darin sehen sie Vermüllung nicht nur als Verwahrlosung, sondern als ein psychiatrisch relevantes Krankheitsbild, das Behandlung bzw. Unterstützung (z.B. über Selbsthilfegruppen) bedarf und in schwerwiegenden (lebensbedrohlichen) Fällen von einer zeitweisen gesetzlichen Betreuung begleitet werden muß.

Im Anschluss an den eigentlichen Hauptteil folgen weitere Aufsätze, wie der zur Rolle des SpDi bei der Betreuung psychisch Kranker (aus dem Jahr 1970) im Alltag, ein kurzer Artikel über Vermüllung in Literatur und Film sowie ein Text zur abschließenden Betrachtung samt literarischen Passagen zum Thema.

Das Buch hat nichts mit Sensationsberichten zum "Messietum" aus bereits veröffentlichten Presse-und Fersehbeiträgen zu tun. Es zielt vielmehr darauf, die Sensibilität und Wahrnehmung für ein bislang noch seltenes Phänomen zu schärfen, das in der Sozialen Arbeit Kenntnisse und v.a. präventive Strategien im Umgang mit Betroffenen erfordert.



Erschienen im Dietmar Klotz Verlag.

Rezension von Michael Horn