Daniel Eichler: Armut, Gerechtigkeit und soziale Grundsicherung.

hinzugefügt: 8-03-2004
Einführung in eine komplexe Thematik. Opladen: VS_Verlag für Sozialwissenschaften, 2001 (223 S.), EUR 23,90
ISBN: 3-531-13666-6


Jahrzehntelang schützte in Deutschland das “Normalarbeitsverhältnis” nahezu die gesamte Bevölkerung, nämlich die Erwerbstätigen und ihre Angehörigen, vor Armut. Doch die Zei-ten haben sich geändert: Zum einen in Gestalt einer seit Jahren hohen Arbeitslosigkeit (vor allem in den neuen Bundesländern), zum anderen durch die Zunahme prekärer Arbeitsver-hältnisse, in denen die Betroffenen nur unzureichende Einkommen erzielen können und deshalb trotz Erwerbsarbeit unter die Armutsschwelle fallen (so genannte “working poor”). Eine Lösung für das Problem der Entkoppelung von Einkommen und Erwerbsarbeit wird in einer Grundsicherung der Bevölkerung gesehen. Eichler gelangt in seiner Arbeit zu dem Schluss, dass mit einem steuerfinanzierten Garantiemodell eine adäquate Reform der sozi-alen Sicherungssysteme gelingen kann: “Der Weg des garantierten Grundeinkommens zeigt sich als beste Lösung, wenn Armutsfreiheit, diskontinuierliche Arbeit, selbst bestimmte Beschäftigung, ein Mindesteinkommen als soziales Grundrecht und die Reform des Wohlfahrtsstaats gleichermaßen gefördert werden sollen.”

Im Einzelnen widmet sich der Autor zunächst definitorisch und historisch dem Phänomen Armut: Er diskutiert zum einen anhand verschiedener Armutsbegriffe (z. B. absolut, rela-tiv, subjektiv, objektiv), was Armut ist und wie sie gemessen werden kann, zum anderen schildert er, wie sich Armut geschichtlich bis in die Gegenwart entwickelt hat. Anschließend untersucht Eichler die normative Rechtfertigung von Umverteilungsmaßnahmen und Grundsicherung. Dazu greift er vor allem auf die Arbeiten von Rawls, Dworkin, van Parijs, Nozick und Sen zurück. Es folgt eine Diskussion konkreter Grundsicherungsmodelle (be-dürfnisorientiert, bedingt, unbedingt) zur Bekämpfung von Einkommensarmut, wobei das Hauptaugenmerk auf der Finanzierbarkeit und der Zielgenauigkeit der Modelle liegt. Ab-schließend macht der Autor den bereits angesprochenen konkreten Vorschlag, der im We-sentlichen auf dem UBI-Modell (“unconditional basic income”) von van Parijs beruht.

Das Buch von Eichler, das mit dem Forschungspreises 2001 der Josef Popper- Nährpflicht-Stiftung ausgezeichnet wurde, überzeugt durch inhaltliche Breite, argumentative Stringenz und empirische Fundierung. Es eignet sich hervorragend als Einstiegslektüre in den Themenkreis und kann deshalb Studierenden und Lehrenden verschiedenster Disziplinen (Phi-losophie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft) wie auch Lesern, die ganz allgemein an der Reform sozialer Sicherungssysteme interessiert sind, empfohlen werden.

Rezension von Dr. Thorsten Heien


Die Veröffentlichung aus dem Jahre 2001 beim Westdeutschen Verlag ist vergriffen. Das Buch ist nun, mit freundlicher Genehmigung des Autors, als PDF frei zugänglich.