Michael Huppertz - Schizophrene Krisen

hinzugefügt: 24-01-2005
Verlag Hans Huber Bern, Göttingen, Toronto, Seattle 1. Auflage 2000. Preis: 26,95 EUR, 286 Seiten, broschiert
ISBN 3-456-83493-4

Die Lektüre verlangt schon zu Beginn Vor- und Grundkenntnisse in Phänomenologie, Anthropologie, Philosophie, Psychoanalyse oder Psychiatrie, und ist daher sicher in erster Linie Therapeuten, Ärzten oder Geistes- und Sozialwissenschaftlern zu empfehlen. Hat man jedoch erst einmal den Einstieg in das Buch geschafft, so eröffnen sich in den jeweiligen Abschnitten wertvolle Einsichten in Krisenabläufe und deren Mechanismen - eingegrenzt auf den Bereich der schizophrenen Störungen .

Im Hauptteil des Buches beschäftigt sich Huppertz mit der Frage nach der Realität und Veränderungen dieser bei schizophren Erkrankten: Gibt es einen typischen Verlauf schizophrener Krisen? Letztendlich beantwortet der Autor die Frage über seine Darstellung o.g. Verlaufes über zehn Teilprozesse hin zur Ausbildung einer manifesten Psychose; imponierend dabei die Beschreibung eines Patienten: „Und Psychose ist, wenn die Spannung gelöst wird“ (S. 167). Doch Huppertz geht es um mehr als die bloße Krise in all ihren Ausprägungen. Gerade die Vorläufer-Symptome und Folgen nach einem Krankheitsschub bieten für ihn die Möglichkeit zur Prävention oder Früherkennung bzw. Aufarbeitung grundlegender Konflikte (z.B. Identitätsstörung) und Affekte (Angst) während des Krankheitsprozesses.

Exemplarisch stellt der Arzt für Psychiatrie/Psychotherapie den Fall eines 28 Jahre alten Patienten mit Psychose(n) vor und entwirft aufgrund dieser und weiterer therapeutischer Erfahrunge(n) ein geschlossenes Modell zur Entstehung schizophrener Krisen. Destruktion und Bewältigung stehen dabei für Huppertz eng nebeneinander. Dem allgemeinen Schema eines „defizitären“ Subjektes (ausgehend von der „Pathologie der Ich-Funktionen“) setzt Huppertz seines - von Lösungen angetriebenen und sich dynamisch entwickelnden Individuums (psychische Aktivität) entgegen, und plädiert für einen interdisziplinär-therapeutischen Ansatz (S. 270 ff) als Konsequenz und Haltung dem Patienten gegenüber.

Das Buch ist sozialpsychiatrisch verankert, spannend, erfrischend kritisch im Umgang mit (vielbeachteten) Schizophrenie-Modellen, anspruchsvoll, auf hohem wissenschaftlichen Niveau und wer sich für einen (beinahe) philosophischen Ausflug in die Welt psychopathologischer Theorie(n)-Bildung interessiert, wird gewiss auf seine Kosten kommen.


Rezension von Michael Horn