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Praktikumsbericht

"Praktikum in einem rumänischen Kinderheim"

(von Sandra Wilkens, Sandra Rode und Tanja Hierner)


Kontakt:
Sandra Wilkens [EMail]

 
 
 

Inhalt:

  • Vorbereitung
  • Informationen zu Recas
  • Beschreibung der Institution
  • Der Tagesablauf der Kinder
  • Das Praktikum
  • Die Gruppe
  • Eigene Arbeit
  • Danksagungen

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    Vorbereitung

    Bevor wir nach Rumänien fuhren, nahmen wir ein Semester lang zur Vorbereitung an einem Rumänisch Kurs an der Fachhochschule Dortmund teil. Dort lernten wir einiges über das Land und wurden auch sprachlich vorbereitet.
     
     
     

    Informationen zu Recas

    Recas ist ein kleines Dorf mit 12 000 Einwohnern, ungefähr 25 km östlich von Timisoara und gehört zum Regierungsbezirk Timis. Eine Hauptstrasse erstreckt sich durch das Dorf, abgehend davon befinden sich kleine Seitenstrassen und Wege, von denen die meisten nicht asphaltiert sind. Es gibt kleine Lebensmittelgeschäfte, ein Café, eine Sporthalle, eine Post, ein Rathaus, eine Schule, sowie einige Restaurants/Kneipen und natürlich das Kinderheim/Internat mit Schule. Mitlerweile befinden sich auch zwei öffentliche Telefone in Recas: eines am Rathaus und das Andere an einem der Restaurants im Zentrum des Dorfes.
     
     
     

    Beschreibung der Institution

    Unser Reiseziel in Rumänien war das "Centrul de Plasament", ein Internat in Recas.
    Das Gebäude liegt am Rande des Dorfes, in der Nähe des alten Heimes und ist U-förmig gebaut. Hinter dem Heim erstreckt sich ein weites Feld und an dessen Ende liegen die Weinberge. Auf der einen Seite des Hauses liegen die Schlafzimmer, auf der anderen Seite ist die Schule untergebracht. Dazwischen befindet sich die Küche und die zwei Speiseräume. Im Heim wohnen zur Zeit 210 Kinder, wovon 130 im neuen, und 80 Kinder im alten Heim untergebracht sind. In dem alten Heim wohnen die älteren Mädchen und Jungen, im Alter von 15 bis 18 Jahren, die Jüngeren im neuen Heim.

    Es gibt im Internat Schlafräume, Klassenzimmer, Spielzimmer, die Kantine, Küche, ein Arzt- und Krankenzimmer, ein Verwaltungsbüro, ein Direktorbüro, ein Magazin für Lebensmittel eine Sporthalle und im Innenhof der Anlage befindet sich ein kleiner Spielplatz. Die Wäscherei befindet sich auf dem Gelände des alten Heims.

    Das Personal umfasst insgesamt 87 Leute. Davon einen Direktor, fünf Angestellte für die Verwaltung, sechs Leute als medizinisches Personal, das Stammpersonal der Erzieher von 37 Mitarbeitern und das Bedienungspersonal wie Köche, Wärter, Heizer, Arbeiter, Pfleger, Installateure, Elektriker, Waschfrauen und Putzfrauen mit insgesamt 38 Angestellten.

    Die Kinder und Jugendlichen sind in 16 verschiedene Gruppen, nach Alter und Geschlecht aufgeteilt. In jeder Gruppe befinden sich 15 oder 16 Kinder. Die Schlafräume haben Etagenbetten. Jeweils zwei Schlafzimmer sind durch eine kleine Treppe mit vier Stufen verbunden. Dadurch ergibt sich ein großer Raum. Zudem führt eine Treppe in das obere Stockwerk, wo die Kinder ihren Aufenthaltsraum haben und die Möglichkeit zum Spielen gegeben ist. Jede Gruppe hat zwei Erzieher, einen für die Wochentage und einen für das Wochenende. Die Kinder im Heim sind alle zwischen drei und achtzehn Jahre alt.
    (Stand 1999)

     
     
     

    Der Tagesablauf der Kinder

    Um 6:30 Uhr werden die Kinder von den Erziehern geweckt. Sie waschen sich und ziehen sich an. Während sie auf einen freien Platz im Badezimmer warten, müssen sie im Flur stehenbleiben. Es ist ihnen nicht gestattet, im Zimmer zu warten. Um 7:30 Uhr geht jede Gruppe geschlossen, in Begleitung des Erziehers, zum Frühstück in den Speisesaal. Danach kommen sie nocheinmal kurz zurück, um ihre Schulsachen zu holen und um 8:00 Uhr beginnt der Unterricht in der Schule. Die Jahrgangsstufen von 1 bis 8 sind jeweils in A und B Klassen eingeteilt. Es gibt also 16 Klassen und zudem zwei Kindergartengruppen, die sich zur Schulzeit auch im Schulgebäude aufhalten. Ab 13:00 Uhr gibt es Mittagessen in der "Kantine", wohin die Klassen mit ihren Lehrern gehen. Da nicht für alle Kinder Platz in der Kantine ist, da sie nur eine Kapazität von 125 Stühlen hat, wird das Mittagessen in zwei Gruppen aufgeteilt. Zuerst bekommen die jüngeren Kinder etwas, eine halbe Stunde später sind die älteren Kinder an der Reihe. Danach geht es wieder in die Unterrichtsräume wo bis 16:00 Uhr Hausaufgaben gemacht werden. Bei schönem Wetter gehen die Lehrer auch mit den Kindern hinaus auf den Hof. Um 16:00 Uhr kommen dann die Erzieher und die Kinder gehen in ihre jeweilige Gruppen, die allerdings anders zusammengesetzt sind, als die Klassen. Die Gruppen sind nach Alter und Geschlecht zusammengesetzt, die Klassen nach Können und Intelligenz. So kann es auch durchaus vorkommen, daß ein 12jähriger im Kindergarten ist und 12- und 16jährige zusammen in einer Klasse unterrichtet werden. In den Gruppen sollten die Erzieher dann etwas mit den Kindern machen, bis es um 18:00 Uhr Abendessen gibt. Dann sind die Kinder wieder in ihren Gruppen und gehen um 21:00 Uhr ins Bett. Ausnahmen gibt es Montags und Freitags, den sogenannten Waschtagen, wo es Abends im Heim für ca. eine Stunde warmes Wasser gibt und die Kinder geduscht werden.
     
     
     

    Das Praktikum

    Nach zweitägiger Fahrt mit dem Auto kamen wir Montagabend, den 25.01.1999 gegen 20:00 Uhr im Kinderheim in Recas an. Am Eingangstor wurden wir von Emil, einem ehemaligen Hausmeister begrüßt, und kurze Zeit später erschien auch schon Cosmin, ein angehender Erzieher und unser Begleiter für die nächsten 10 Wochen. Nachdem wir dann den Innenhof betreten hatten, stürmten auch schon die ersten Kinder auf uns zu. Sie nahmen uns sofort in ihre Arme, stellten uns unglaublich viele Fragen, zerrten an uns herum und redeten die ganze Zeit. Wir verstanden ersteinmal nichts und waren froh, daß wir unsere Namen sagen konnten, und nach den Namen der Kinder fragen konnten. Zu mehr reichten unsere Sprachkenntnisse in diesem Augenblick einfach nicht. Dann wurde uns unser Zimmer gezeigt und wir wurden dem Direktor vorgestellt.Alles in allem war unser erster Eindruck überraschend gut. Damit hatten wir alle drei eigentlich nicht gerechnet. Wir waren zwar alle "geschlaucht" von der Fahrt und mußten viele neue Eindrücke aufnehmen, aber wir hatten eine positive Stimmung.
    Unser Zimmer lag auf dem gleichen Flur wie die Zimmer der Kinder. Direkt gegenüber befand sich eine Gruppe und ein paar Meter weiter eine Andere. Wir waren also mittendrin im Geschehen. Nachdem uns die wichtigsten Dinge gezeigt wurden und wir unser Zimmer ein wenig eingerichtet hatten, waren wir froh, endlich in unsere Betten zu fallen.

    Die nächsten Tage im Heim erwiesen sich dann als sehr verwirrend. Wir brauchten ersteinmal einige Zeit, bis wir durch die Strukturen durchblickten. Außerdem war auch nicht immer jemand da, der Deutsch oder Englisch sprach und so hatten wir anfänglich ziemliche Schwierigkeiten, wenn wir Fragen hatten. Aber wir bemühten uns mit dem bißchen Rumänisch was wir vorher gelernt hatten und versuchten den Rest mit "Händen und Füßen" zur erklären und zu erfragen. Die erste Woche hatten die Kinder noch Ferien, und in dieser Zeit beschäftigten wir uns oft mit der Gruppe von "gegenüber".

    Eigentlich hatten wir vor, daß wir in der Schule zuerst ein wenig hospitieren würden, um uns dann später eine eigene Gruppe herauszusuchen mit der wir arbeiten wollten. Nun erfuhren wir aber, daß die Schulklassen ganz anders belegt waren, als die Gruppen am Nachmittag, die von den Erziehern betreut wurden. Außerdem war der Direktor der Schule jemand anderes, als der Direktor vom Heim, den wir ja schon kennengelernt hatten. Als die Schule in der zweiten Woche wieder anfing, und nachdem mit dem Direktor der Schule alles geklärt war, hatten wir die Möglichkeit, uns nun den Unterricht anzugucken. Wir wurden durch die veschiedenen Klassen geführt und wurden den Lehrern vorgestellt. Langsam merkten wir, daß die Arbeit mit denSchulklassen dann aber für uns nicht ganz so sinnvoll w&aumlre. Wir beschlossen, uns die Nachmittags - Gruppen genauer anzusehen. Also wurden wir später durch die verschiedenen Gruppen geführt und merkten sehr schnell, daß sich eigentlich kein Erzieher wirklich mit den Kindern beschäftigte. Die Kinder saßen meistenteils einfach nur herum und viele Kinder fielen uns durch Hospitalismus auf (z.B. Kontaktarmut, Teilnahms- und Ausdrucklosigkeit, Weinerlichkeit, Bewegungsunruhe, Aggresivität, verzögerte Entwicklung). Das Ganze erschien uns so, als wären die Erzieher nur zur "Aufsicht" dort. Oft hörten die Kinder einfach nur laut Musik aber niemand beschäftigte sich mit ihnen oder gab ihnen irgendeinen Anreiz. Besonders schlimm fanden wir es in der Kindergartengruppe. Der Raum, in dem sich die Kinder aufhielten war im ersten Stock. Die Wände waren kahl, es gab keinen Teppichboden (in den anderen Räumen allerdings auch nicht), und die Musik war ohrenbetäubend, da es dort sehr hallte. In einer Ecke stand ein Töpchen, aber die meisten Kinder "trafen" wohl nicht so genau, und es bildete sich eine kleine Pfütze drumherum. Diese Kinder wirkten völlig verstört. Einige kamen sofort auf uns zu und wollten umarmt werden, andere standen mit schwerem Hospitalismus in der Ecke und starrten vor sich hin. Außerdem wirkten diese Kinder viel schlechter angezogen, als die anderen und sie waren sehr dreckig. In diesem Raum war kein Erzieher zu sehen. Dieser saß im Nebenraum an einem Tisch und malte Bilder, ohne sich großartig um die Kinder zu kümmern. Die Kinder durften anscheinend auch nicht aus "ihren" Raum heraus, denn in der Durchgangstür saß ein älteres Kind und ließ, wahrscheinlich auf Anweisung des Erziehers, niemanden durch. Auch durch uns ließ er sich nicht sonderlich stören. Er schaute uns zwar leicht verwirrt an, ignorierte uns dann aber mehr oder weniger. Es war sehr schwer, sich von diesen Kindern zu trennen, da sie uns auch festhielten und nicht mehr gehen lassen wollten. Anscheinend faßt sie sonst kaum einer an oder nimmt sie mal in die Arme.

    Nachdem wir uns alle Gruppen angeschaut haben, kamen wir ganz schnell zu dem Schluß, daß wir gerne mit der Gruppe arbeiten würden, mit der wir in der ersten Woche schon mehr unternommen hatten. Die Kindergartengruppe hätte unsere Arbeit wahrscheinlich dringender gebraucht, aber um mit ihnen zu arbeiten fehlte uns dann doch das nötige Wissen, und wir fanden, daß es nicht Sinn der Arbeit sein sollte, diese Kinder ganze 10 Wochen nur in den Arm zu nehmen. Außerdem wäre es wahrscheinlich auch sehr schwer geworden, den anderen Kindern die sich schon sehr an uns gewöhnt hatten zu sagen, daß wir eine andere Gruppe übernehmen. Diese Kinder wären dann sehr enttäuscht gewesen. Was uns die Sache noch erleichterte war, daß Cosmin, der angehende Erzieher, die Gruppe in den Ferien leitete und wir mit ihm nicht so große Sprachschwierigkeiten hatten, da er ein wenig Deutsch sprach. Außerdem hatten wir das Gefühl, mit Frau Katarina und Cosmin gut zusammenarbeiten zu können.
     
     
     

    Die Gruppe

    Die 16 Kinder unsere Gruppe waren Jungen im Alter von 10 bis 13 Jahren. Zwei Jungs waren älter, 17 und 15 Jahre und ein Junge, der sich viel um die Gruppe kümmerte war bereits 17 Jahre alt. Allerdings schlief er nicht in dieser Gruppe sondern hielt sich nur tagsüber bei ihnen auf und half den Erziehern. Der Bildungsstand innerhalb der Gruppe war sehr unterschiedlich, da sie verschiedene Klassen besuchen und teilweise stark zurückgeblieben waren. Bis auf wenige Ausnahmen wiesen die Kinder starken Hospitalismus auf. Die Gruppe wurde in der Woche von Frau Katarina und am Wochenende von Cosmin Georgevici betreut.
     
     
     

    Eigene Arbeit

    Den Vormittag hatten wir zu unserer freien Verfügung. Dort trafen wir die Vorbereitungen für den Nachmittag und nutzten die Zeit um den letzten Tag zu reflektieren. Oft fuhren wir morgens nach Timisoara, um dort für die Projekte einzukaufen. Bastelmaterialien wie Scheren, Klebe, Krepppapier,etc. gab es nur in der Stadt zu kaufen. Bevor wir mit den Kindern bastelten, machten wir uns ersteinmal Gedanken, ob die Feinmotorik der Kinder dazu überhaupt ausreichte. Wir probierten unsere Ideen selber aus und konnten dann besser entscheiden, ob die Kinder bestimmte Bastelarbeiten schaffen, oder nicht. Es war sehr interessant, als wir das erste mal mit unseren Materialien in die Gruppe gingen. Wir wollten mit den Kindern malen. Wir legten die Materialien auf den Boden, da es nicht genug Tische und Stühle gab und sagten den Kindern, daß sie nun malen könnten. Die Kinder freuten sich ersteinmal sehr, da sie ansonsten kaum die Gelegenheit hatten zu malen. Allerdings wußten fast alle ersteinmal nicht, was sie denn überhaupt malen sollten. Sie waren es nicht gewohnt, "frei", also ohne Schablonen oder Vorlagen zu malen. Es dauerte einige Zeit, bis wir wir ihnen verständlich machen konnten, daß sie einfach malen sollen, was ihnen gerade einfällt. Ein Kind fing sogar an zu weinen. Wir nahmen uns auch einen Zeichenblock und Stifte, und fingen an, zu malen. Bis auf eine Ausnahme, malten die Kinder sofort von uns ab und beschwerten sich lautstark, wenn wir ihnen unsere Bilder nicht zeigten. Wir ließen die Kinder dann ersteinmal gewähren und waren sehr auf das nächste Bild gespannt. Beim zweiten, dritten Bild, fingen dann einige Kinder an, tatsächlich etwas eigenes, unabhängiges zu malen. Das freute uns sehr, denn wir sahen einen Fortschritt in unserer Arbeit. Auch, wenn sie teilweise noch abmalten, brachten sie jedesmal auch etwas eigenes mit in ihr Bild hinein. Ziel des Ganzen war für uns, die selbstgemalten Bilder dort aufzuhängen, wo man sie gut sehen konnte. Da wir Bedenken hatten, daß die Bilder gleich wieder runtergerissen werden, hingen wir sie in unserem Zimmer von innen an die Scheiben im ersten Stock. So konnte man die Bilder vom Flur aus sehen. Wir hingen sie auf, als die Kinder beim Abendessen waren. Als sie dann zurück kamen, war die Reaktion einfach unbeschreiblich: die Kinder schrien und tobten im Flur herum. Sie haben sich riesig gefreut, daß jemand ihre Bilder aufgehängt hat. Sie standen den ganzen Abend davor und holten andere Kinder, die sich das auch angucken sollten. Sie waren alle sehr stolz, ihr eigenes Bild zu sehen. Auch der Erzieherin gefiel diese Idee gut. In der nächsten Zeit wurden vermehrt Bilder im eigenen Gruppenraum aufgehangen.

    Am Nachmittag unternahmen wir verschiedene Aktivitäten wie Malen und Basteln um die Feinmotorik der Kinder zu stärken. Wenn das Wetter einigermaßen schön war, gingen wir mit ihnen raus, spielten Fussball oder machten Ausflüge in die nahegelegenen Weinberge.
     
     
     

    Danksagungen

    Einen Herzlichen Dank an meine "Mitfahrerinnen" Sandra und Tanja für die tolle Zeit und dessen Einverständnis diesen Bericht und die Photos zu verwenden zu dürfen;
    Dank an alle Freunde & Bekannte die mich unterstützt haben; unsere Dozentin Frau Schweppe, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre; Heinz für den Versuch uns die rumänische Sprache etwas näher zu bringen; den Kinderschutzbund Herdecke; Herrn Gollnick für die Unterstützung und Cosmin Georgevici für die gute Betreuung in Rumänien; alle die uns nettaufgenommen haben und alle anderen "Rumänienfahrer" die sich angesprochen fühlen!

    Ganz besonderen Dank gilt meinen Eltern, die mir immer beistanden, mich unterstützt haben und auch in Rumänien mit Briefen "versorgt" haben!