Levold, T.; Wirsching, M. (Hg.): Systemische Therapie und Beratung

hinzugefügt: 18-08-2014
Verlag: Carl Auer Verlag, Heidelberg 2014. 653 Seiten, 14 Abb., Gb, € 84,00
ISBN 978-3-89670-577-8

Eine hervorragende Darstellung

So gut wie in jeder Literatur zu konkreten Themen und Methoden der systemischen Therapie findet der Leser zu Beginn jeweils eine Einführung und komprimierte Darstellung der Entwicklung und der theoretischen Grundlagen des Ansatzes (bevor dann jeweils der einzelne Aspekt der jeweiligen Autoren in den Mittelpunkt der Darstellungen rückt).

Eine nun sehr grundsätzliche, sehr breite und umfassende Darlegung zur systemischen Therapie und Beratung macht daher vor allem als grundlegendes Lehrbuch Sinn, um dem professionellen und / oder allgemein interessierten Leser strukturiert und mit weitem Raum Schritt für Schritt ausführlich die Annahmen, Grundlagen und Überzeugungen der systemischen Therapie an sich und in ihren aktuellen Handlungsfeldern umfassend vor Augen zu führen.

Ein Anliegen, dem dieses Werk in bester Weise entspricht.

Gerade weil der Begriff „systemisch“ sich in den letzten Jahren so geweitet hat, weil er, wenn nicht in „aller“ so doch in „vieler“ Munde genutzt wird, und sich auch in der Methodik mehr und mehr in verschiedene Richtungen ausdifferenziert, läuft der Begriff in Gefahr, “in dem Maße an Aussagekraft und Trennschärfe zu verlieren, in dem er als Etikett für alle möglichen Konzepte, Methoden und Techniken herhalten muss“.

Gut ist es daher, dass die Autoren im Buch, von der Entwicklung des Ansatzes angefangen, Schritt für Schritt die „Ganzheit“ des Ansatzes vor Augen führen und damit eine Abgrenzung gegenüber eines Verständnisses als „nur“ einer „Sammlung von Tools“ überzeugend vorlegen.
Auch wenn, wie die Autoren im Buch feststellen, die „Zeit harter Abgrenzungen“ Geschichte ist und fließende Übergänge von kybernetischen und systemischen Modellen in vielfachen Richtungen von Therapie (Schema, Lösungsorientiert etc.) und Beratung seit Jahren bereits die Regel darstellen.
Entwicklungen, von denen sich manche genuin aus dem systemischen Ansatz heraus ergeben, aber auch Entwicklungen, die unter Umständen nur mehr Einzelaspekte des systemischen Ansatzes in andere, eklektische Arbeitsformen hinein einfließen lassen.

Im vorliegenden Werk ist die Leitfrage der Autoren und Herausgeber, eine „Ordnung des Wissens“ für den systemischen Ansatzes darzulegen.
Ein Aufgabe, die das Buch in bester und umfassender Weise erfüllt.

Alle denkbaren Einzelaspekte, die Schritte der Entwicklung, die damit verbundenen Namen, die Ausdifferenzierung in praktische Instrumente und professionelle Arbeitsbereiche, die Einordnung des systemischen Ansatzes in seine aktuellen Kontexte (Psychotherapie, hausärztlicher Kontext, Beratungsstellen, Schule, Aufsuchende Hilfe, System Krankenhaus, Psychiatrie, Organisationsberatung und anderes) und allgemeine Überlegungen zur Ethik, Lehre und Forschung, all dies findet sich ausführlich, gut strukturiert und übersichtlich im Buch wieder.

Immer rekurrierend auf den „Ausgangspunkt“ der Autoren und Herausgeber, ein „Verständnis systemischer Therapie und Beratung als transdisziplinärer und multiprofessioneller Ansatz“. Wobei im Verlauf der umfassenden Darstellung dennoch der „rote Faden“ immer erkennbar bleibt und die vielfachen Verästelungen des systemischen Ansatzes nicht dazu führen, sich in einzelnen „Ästen“ zu verlieren.

So macht es im Übrigen auch Sinn, dass die Grundordnung des Buches sich an „Kontexten“ entlang arbeitet (auch wenn manche Abläufe und Entwicklungen chronologisch aufeinander aufbauen, gerade was die Epistemologie des Ansatzes angeht).

So werden die verschiedenen theoretischen Konzepte (ebenso wie die Methoden und die Darstellung spezieller Problemkonstellationen) jeweils in ihren theoretischen Kontexten dargelegt, die sich aus den unterschiedlichen beruflichen und disziplinären Zugängen zur systemischen Praxis ergeben. Ebenso finden sich das Problemverständnis, die Haltung, die Methoden und Techniken im Buch zugeordnet an konkrete Behandlungssettings (und nicht, wie es klassisch wäre, entlang von Diagnosesystemen, zugeordnet und erläutert).

Es ergibt sich eine Darstellung, die ihre theoretische Aufarbeitung sehr praxisnah anlegt, thematisch geordnet die Vielfalt des systemischen Ansatzes wahrnimmt und widerspiegelt, in all dem die grundlegenden theoretischen Konzepte immer wieder vor Augen führt und im Gesamten dem Leser einen umfassenden, fundierten und sehr gut „lernbaren“ Blick auf die Theorie, die Entwicklung, die Differenzierungen, die Methoden, Haltungen und Instrumente und, vor allem, die Kontexte der Arbeit mit diesem Ansatz, bietet.

Rezensent: Michael Lehmann-Pape