Arnold, R.: Wie man wird, wer man sein kann
Carl-Auer-Verlag 2016
ISBN 978-3-8497-0102-4
Hinweise zur Persönlichkeitsbildung
„Dabei rückt eine These in den Vordergrund, welche die Bildung der Persönlichkeit als Ausdruck einer doppelten Spiralbewegung beleuchtet: der Selbstreflexion und der Übung“.
Eine Spirale, die Arnold zudem an die Autonomie des Menschen koppelt, gerade in Bezug auf die Persönlichkeitsbildung.
„Sich gezielt mit sich selbst und den Formen seines Umgangs mit seiner inneren und äußeren Welt auseinanderzusetzen“.
Das ist die Basis, auf der Arnold seine 29 „Regeln zur Persönlichkeitsbildung“ ansiedelt. Und für die er Regeln und Tools zur Verfügung stellt, die einerseits keiner „instrumentellen Logik“ folgen, andererseits aber in die Eigenarbeit des Lesers durchaus nachhaltig führen, Zugänge zum eigenen Ich und den eigenen Konstruktionen der Wirklichkeit eine Bahn zu bereiten.
Dabei steht zunächst zentral die Bereitschaft, die eigenen „Gewissheiten“ (und sei es auch nur experimentell für eine kleine Weile), in Frage zu stellen. Auch wenn dies zunächst auf innere Abwehr trifft, denn das Vertraute in Frage stellen bedeutet ja zugleich auch, sich seines Haltes ein stückweit zu berauben.
Wer aber den Schritt des Risikos einer möglichen Selbstaufgabe (in bestimmten Ausprägungen) scheut, „für den bleibt die Welt, wie sie ist“. Berechenbar zwar (als Vorteil für das innere, sichere Gefühl), aber eben auch ohne Entwicklung (und damit der inne liegenden Tendenz des Lebens zur Exploration widerstrebend).
Zusammenfassend könnte man sagen, dass Erfahrungen verunsichert werden können und erst aus dieser Verunsicherung, erst aus dem Zweifel an den eigenen Schlüssen aus den eigenen Erfahrungen heraus können Lernprozesse erwachsen.
Dabei führt Arnold seine 29 Regeln weder in einfacher Sprache noch in einfachem „wenn-dann“ Schema der eher üblichen Ratgeberliteratur vor Augen. Konzentriertes Lesen ist ein Muss zum Verständnis dieses Buches, gerade weil Arnold nicht bei Oberflächlichen Symptomen stehen bleibt, sondern in die Tiefe der Verfestigung von eigenen Narrationen, Mustern, Befürchtungen, Ängsten und der Tendenz zur Selbstbehauptung „um jeden Preis“ intensiv nachgeht.
Die eigene Biographie anzunehmen ohne ständig daraus zu zitieren, sondern offen zu sein für andere, neue Entwicklungen. Nicht an dem starr festhalten, was „zu sein scheint“, sondern den Blick weiten für das das Mögliche. Das Versäumte hinter sich lassen. Die eigenen Werte mit denen der andern prüfen. Das Leben vom Ende her denken und gestalten, alternative „Ich-Zustände“ spielerisch erproben, die Wahrnehmungsverzerrungen durch die eigenen Gefühle kennen zu lernen und zu vermeiden. Immer auch „vom anderen her denken“ zu lernen.
Vielfach, komplexe Einheiten und Hinweise, die intellektuell zunächst erst einmal erfasst werden müssen, die in ihrer Gesamtheit aber im einen verbindenden Kern kreisen.
Sich selbst in der möglichst klaren Wahrheit zu erkennen, die Fantasien, Abwehr- und Schutzmechanismen auszumachen und diese auf vielfältige Art und Weise her „lockern“, um sich neuem Lernen und neuem Denken so aussetzen zu können, dass die eigene Persönlichkeit mit ihren (überprüften) Werten und Zielen mehr und mehr sich entfaltet.
Mit vielen Praxisbeispielen versehen gelingt es Arnold dabei durchaus, überzeugend zu verdeutlichen, was als Summe der Forschungen zur Persönlichkeitsbildung von ihm in praktische Hinweise hin transformiert wird.
Auch wenn vielleicht das gesamte Programm in reiner „Eigenarbeit“ nicht vollzogen werden kann und an innere Grenzen stößt, die Notwendigkeit der Selbstreflexion, der Übung von alternativen, neuen Verhaltensweisen (um diese vielleicht gar auch als nicht passend dann zur Seite zu legen), zu all dem motiviert Arnold sehr. Bis zumindest hin dazu, die eigenen Grenzen zu erkennen und mögliche Hinderungsgründe für eine freiere Entfaltung der eigenen Person dann an gegebenem Ort zu thematisieren.
Eine nicht einfache, aber durchaus präzise und fruchtbringende Lektüre.
Rezensent: Michael Lehmann-Pape