Messer, Barbara: Ungewöhnliches Coaching

hinzugefügt: 16-02-2018
295 Seiten
Verlag: Beltz 2018

ISBN:978-3-407-36630-6

Anregend ungewöhnliche Ideen

Günter Bamberger, der die Lösungsorientierte Kurzzeittherapie wohl wie kein zweiter für die Praxis reflektiert du umgesetzt hat, hat es zu Zeiten bereits nicht abgelehnt, auch in bis dato ungewöhnlichen Settings mit seinen Klienten zu Arbeiten. Bis hin zur „Therapie-Jogging-Stunde“.

Was nicht nur den Vorlieben bestimmter Klienten oder deren Zeitmangel geschuldet war, sondern im Lauf solcher Erfahrungen verdichtete sich die Erkenntnis, dass unter gewissen Umständen ganz anders als sonst gelagerte Orte einen positiven „Zuschlag“ zum therapeutischen Prozess beinhalten konnten.

Barbara Messer wendet sich ebenfalls diesem Gedanken zu und das sehr praxisnah, präzise und in großer Breite der Möglichkeiten.

„Sushi-Coaching“ oder auch „unter einer Yak-Decke“ bis hin zum „Lagerfeuer“. Erweitert um ebenfalls (für ein Coaching noch) ungewohnt wirkende Methoden wie „Tiermeditation“ oder „Danken und Bitten“ oder ein „Baum-Coaching“.

Bevor nun aber das ein oder andere amüsierte bis ungläubige Gefühl sich breit macht, sollte man das Werk lieber erst gelesen haben, denn hinter all dem Ungewohnten und teils merkwürdig klingenden („Im Beichtstuhl) stehen fundierte theoretische Überlegungen, eine vorurteilsfreie Annäherung an Begriff und Elemente des Schamanismus (als Randmöglichkeiten nicht als Kern des Coachings und der Beratung) und die Aufnahme neuester Erkenntnisse des „Storytelling“, dass „Geschichten unter die Haut gehen“ und vielfache Formen von Wirkungen in sich tragen, die in dieser Breite bisher noch nicht methodisch für Coaching und Beratung durchdekliniert sind.


Gerade weil Messer das wohl allseits bekannte Gefühl bei Problemen mit zum Ausgangspunkt ihrer persönlichen Arbeiten und Überlegungen setzt, dass Menschen „in etwas feststecken“, dass sie aus eigener Kraft nicht „verlassen bekommen“. Nimmt man diese innere, psychische Situation im übertragenen Sinne „beim Wort“, dann ist es überaus naheliegenden, auch räumlich gesehen „andere, neue Orte“ aufzusuchen, um die Wirkung jener Orte mit in die beratende und therapeutische Arbeit einzubeziehen.

„Das Gehirn hat zu tun. Es fällt nicht in die bewährten Muster, wie es meist der Fall ist, wenn es einen Coaching Raum betritt“.

Und behält anderes in Erinnerung als, doch meist, das Gespräch und die ein oder andere Übung in „klinischer Umgebung“. Andere Sinneseindrücke, die zu anderen Haltungen und Verhaltensweisen führen und sich mit Bildern (Storytelling-Elemente) auch anders im Klienten verankern können.

Und bevor die Kritiken zu laut werden, dass hier wäre alles andere als ein „echtes Coaching“, greift Messer selbst vor.

„Vielleicht trifft eher zu; „Eine Zeitlang miteinander zu gehen“.

Mit natürlich zugewandter und professioneller Haltung samt der eigenen, methodischen und therapeutischen Kompetenz als Coach und Berater.

Letztlich aber legt Messer eine hochinteressante Lektüre vor, die vielfache, ganz traditionelle Instrumente aufgreift, mit denen Menschen seit jeher eine innere Entwicklung ausgeformt haben.

Bis hin zu dem einfachen Sitzen am Lagerfeuer, dem dort hören von Geschichten (nicht irgendwelchen, sondern jenen, die „gerade dran sind“ und mittels dieser Entschleunigung. Was, wie in allen anderen beschriebenen Methoden und Überlegungen im Buch letztlich mit den Mittelnd er Entspannung, der Neugier, des „Herauskommens“, des Spiels und der Inszenierung arbeiten, mittels derer vielfältige innere Ebenen erreicht werden.

Auf jeden Fall ist das Werk die Lektüre wert, denn es öffnet den eigenen Blick immens, ohne den Zwang zu generieren, ob einer direktiven Theorie dies genauso übernehmen zu müssen. So bietet es vor allem einen „Handwerkskasten“ an Instrumenten und Methoden, den Rat suchenden Menschen in seiner Menschlichkeit, seiner eigenen, inneren Kraft und in seiner Verbindung zum „großen Ganzen“ zu bestärken.

Rezensent: Michael Lehmann-Pape